Süddeutsche Zeitung 4.8.99 Berlin-Seite

SPD kritisiert CDU-Senator und will sein Amt

Die Berliner SPD prescht mit einem Zwischenbericht zur Erstürmung des israelischen Konsulats durch Kurden vor

Von Philip Grassmann

Die Überraschung war der Berliner SPD gelungen. Mitten in der Sommerpause präsentierte sie gestern einen eigenen Zwischenbericht über die Erstürmung des israelischen Generalkonsulats am 17. Februar - und das, obwohl der Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses seine Arbeit noch gar nicht beendet hat. Mit der Aktion wollten kurdischen Demonstranten gegen die Festnahme des PKK-Chefs Öcalan protestieren. Die Presse hatte zuvor berichtet, auch Israel sei an der Festnahme beteiligt gewesen. Vier Kurden wurden von israelischen Sicherheitsbeamten erschossen.

Die SPD störte es gestern offenbar nicht besonders, dass die Aussagen von zwei wichtigen Zeugen noch aussstehen: Die Befragung von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und dem Chef des Bundesverfassungsschutzes Peter Frisch, sollen gerichtlich erzwungen werden, weil der Untersuchungsausschuss sich davon wichtige Erkenntisse darüber erhofft, wann die Berliner Sicherheitsbehörden vor möglichen Aktionen gegen das Generalkonsulat gewarnt worden sind.

Die SPD kritisierte vor allem die schlechte Kommunikation und Koordination der Berliner Sicherheitsbehörden. "Die Arbeit des Untersuchungsausschusses hat gezeigt, dass es eine hohe Gefährdung für das israelische Generalkonsulat gegeben hat, und dass dieser mit erheblichen Schutzmaßnahmen hätte begegnet werden müssen", bilanzierte der SPD-Sprecher des Gremiums, Frank Ebel. Es habe eine Vielzahl von Hinweisen gegeben, dass das Gebäude gefährdet war. Bereits einen Tag vor der Besetzung des Konsulats ging um 9 Uhr morgens ein erster Hinweis des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei dem Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutzes, Eduard Vermander, ein. Dabei wurden neben der Türkei, der USA, Griechenlands und der SPD auch israelische Einrichtungen genannt. Das war 28 Stunden vor der Erstürmung. In einer Telefonkonferenz der Innenminister wurde dieser Hinweis wiederholt. Doch richtig ernst genommen wurde die Gefahr nicht.

Die SPD sieht deshalb schwere "gedankliche Fehler" auf Seiten des Innensenators Eckart Werthebach (CDU) und der Polizeiführung. Zwar sei Israels Beteiligung an der Entführung des PKK-Chefs Öcalan rein spekulativ gewesen. Daraus hätte man aber nicht den Schluss ziehen dürfen, dass auch die Hinweise auf eine Gefährdung israelischer Einrichtungen spekulativ gewesen seien. "Anstatt sich in die Situation der PKK hineinzuversetzen, hat man in Berlin unterstellt, dass sich die PKK verhält wie eine rechtsstaatliche Institution, die erst dann einen Vorwurf erhebt, wenn sie ihn beweisen kann", sagte Frank Ebel.

Die SPD rügte auch die lückenhafte Dokumentation der Unterlagen aus dem Landesamt für Verfassungsschutz. Viele Akten seien aus Gründen des Quellenschutzes nicht verfügbar gewesen. Auch habe des Landesamt bei der Informationsbeschaffung über die PKK eine unrühmliche Rolle gespielt. "Der Berliner Verfassungsschutz spielte nur als Bote eine Rolle, der die Informationen des Bundesamtes weiterleitete", heißt es in dem Zwischenbericht. Was die Berliner Verfassungsschützer tatsächlich im Vorfeld der Ereignisse gewusst haben, kann nach Ansicht der SPD wegen der spärlichen Unterlagen nicht abschließend geklärt werden. Nur eines war für Ebel offensichtlich: "Das Landesamt besitzt kein Hauptstadtniveau". sagte er.

Heftig widerspricht die SPD dem Versuch von Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU), den Israelis eine Mitschuld an der Erstürmung des Konsulats zu geben. Böse hatte vor dem Ausschuss gesagt, er sei davon ausgegangen, das Gebäude sei so sicher wie Fort Knox. Das sei sein Eindruck aus mehreren Besuchen gewesen. Der CDU-Politiker hatte hinzugefügt, dass die Israelis seit 1991 keine Sicherheitsberatung durch die Berliner Polizei zugelassen hätten. "Die Erklärungsversuche, die nachträglich angestellt wurden, um die unzureichende Sicherung des israelischen Generalkonsulats plausibel erscheinen zu lassen sind untauglich", konstatiert dazu der SPD-Bericht. Man habe sich einfach auf den äußeren Anschein verlassen, und darauf vertraut, dass die Israelis sich zu schützen wüssten. Ebel kritisierte außerdem, dass keine Dienststelle Kontakt mit dem Konsulat aufgenommen habe, um die Sicherheitsmaßnahmen zu koordinieren.

Zum Abschluss gab es noch eine zweite Überraschung: Im Oktober sind in Berlin Wahlen und die SPD meldete schon mal Anspruch auf das Amt des Innensenators an. "Wir halten das nicht für eine Domäne unseres Koalitionspartners" erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Hans-Peter Seitz. In der Großen Koalition hat bisher stets die CDU den Innensenator gestellt.