jw, 30.7. Kommentar

15-Milliarden-Köder, gut gepanzert

Türkei will 1 000 deutsche Leopard-Panzer ordern.

»Ich habe dazu eine klare Position: Das ist abzulehnen«, so die erste Reaktion des SPD-Fraktionsvize Gernot Erler auf den Wunsch der Türkei, bis zu 1 000 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A5 beim deutschen Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei zu ordern. Kontra diesmal auch von Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen: »Es dürfen keine Panzer in die Türkei geliefert werden.« Das klingt endgültig, doch entschieden wird im Bundessicherheitsrat über diese gigantische Waffenlieferung ins türkisch-kurdische Krisengebiet erst im Herbst.

Bis dahin können von Hardthöhe, Industrie und Rüstungslobby Fäden gezogen und zu Stricken gedreht werden. Erste Schritte sind zu beobachten. So warnte der SPD-Haushalts- und Verteidigungsexperte Volker Kröning in »Bild« bereits vor einer vorschnellen Ablehnung des türkischen Wunsches, schließlich sei die Türkei NATO-Partner. Der Einwurf, daß vor einer solchen Entscheidung natürlich eine Lösung der Kurden-Frage stehen müsse, klingt nach angehängter Rechtfertigung. Schließlich verbietet sich ein zu eiliges Okay in Zeiten, da Abdullah Öcalan in der Türkei auf den Strang wartet.

Doch so pingelig gibt sich die rot-grüne Regierung nur in Panzerfragen. Bereits Mitte Juli war ein türkisch-deutsches Rüstungsgeschäft im letzten Augenblick geplatzt. Nicht durch das Veto der Bundesregierung - der türkische Verteidigungsminister entschied, neue Minensuchboote nicht in deutschen Werften, sondern angeblich günstiger in Spanien zu beschaffen. Die Kieler HDW-Werft wird mit einer Bundesbürgschaft von 324 Millionen Mark beim Bau von vier U-Booten für die Türkei unterstützt. Diese Heuchelei der neuen Regierung, die »jetzt großzügig genehmigt, was vorher von Übel war«, geht sogar CDU-Politikern wie Dietrich Austermann gegen den Strich. Er fordert, SPD und Grüne sollten ihren verlogenen Kurs der Vergangenheit beenden.

Die türkische Regierung weiß auch, wie das Spiel gespielt wird. Nachdem ein Firmensprecher von Krauss-Maffei noch vor einer Woche bestätigte, daß Ankara eine Anfrage nach Panzern im Wert von 15 Milliarden Mark gestellt hätte, die Firma gar ein Exemplar zur Erprobung ausliefern wollte, wurde nach dem Besuch Joseph Fischers die Bremse gezogen. Das türkische Verteidigungsministerium wollte nur noch bestätigen, daß ab 2001 mit ausländischen Partnern rund 1 000 Panzer gebaut werden sollen. An die Deutschen sei kein Auftrag ergangen. So wird Druck gemacht für ein »Rüstungsrahmenprotokoll«, das die deutsch- türkischen Rüstungsgeschäfte künftig wetterfest machen soll. Die 15 Milliarden Mark sind ein saftiger Köder, der Krauss-Maffei trotz Kürzungen im Rüstungsetat für die nächsten Jahre Vollbeschäftigung garantieren könnte. Und die geht dem Kanzler bekanntlich über alles. Getestet wird der neue Leopard von türkischen Soldaten derweil im Kosovo. Die Genehmigung dafür gab Heeresinspekteur Willmann.

Bernd Verter