Nürnberger Zeitung, 27.7.

Jetzt soll das BKA das Rätsel um Cevat Soysal knacken

Kurde fiel in Deutschland nie unliebsam auf - Zweifel an türkischer Version der "Nummer zwei der PKK" Von unserem Mitarbeiter HORST ZIMMERMANN

BONN (NZ). - Die näheren Umstände, unter denen der in Mönchengladbach wohnhafte Kurde Cevat Soysal (37), Mitglied der Europaleitung der PKK in Brüssel, während einer PKK-Dienstreise in Moldawien in die Fänge des türkischen Geheimdienstes geriet, soll jetzt das Bundeskriminalamt im Auftrag des Bundesinnenministers klären. Die BKA-Ermittler haben aber nur geringe Chancen, die Wahrheit herauszufinden.

Nach den bisher vorliegenden Berichten war Soysal am 17. Juli entweder von türkischen Agenten in Moldawien entführt oder von moldawischen Sicherheitskräften festgenommen und in seinen "Heimatstaat" Türkei abgeschoben worden. Die BKA-Ermittler können jetzt nur in Moldawien und in der Türkei um Auskunft nachsuchen. Da beide Länder kein Interesse an der Aufklärung des Vorgangs haben, dürfte die BKA-Anfrage unbeantwortet bleiben.

Kein konsularischer Schutz

Wenn ein Deutscher im Ausland inhaftiert wird, müssen die Behörden die deutsche Botschaft informieren. Ein deutscher Konsul darf dann den Inhaftierten im Gefängnis besuchen und befragen. Doch Soysal ist türkischer Staatsangehöriger und steht als in Deutschland anerkannter Asylberechtigter im Ausland nicht unter dem Schutz des konsularischen Dienstes.

Die Aktion gegen Soysal soll nach Einschätzung von Kennern in erster Linie den Druck auf die PKK nach der Festnahme ihres Anführers Öcalan verstärken und die Mobilität der PKK-Führungskader dämpfen: Der Fall habe deutlich gemacht, welches Risiko PKK-Funktionäre eingehen, wenn sie ihr Asylland verlassen, heißt es.

Türkische Stellen behaupten, Soysal sei in der PKK der "zweite Mann" nach Öcalan gewesen. Damit will die türkische Regierung offenbar innenpolitisch ihren Erfolg gegen die PKK schönen. Denn Soysal ist nach den Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden lediglich "ein Mann aus der zweiten oder sogar dritten Reihe" in der PKK-Europaleitung in Brüssel gewesen. Bei BKA, Verfassungsschutz und Polizei heißt es übereinstimmend: "Der Mann ist in Deutschland nie unliebsam aufgefallen." Das Ermittlungsverfahren, das die Bundesanwaltschaft gegen die PKK führt, erstreckt sich nicht auf Soysal.

Der Kurde verlegte am 16. Juni 1997 seinen Wohnsitz und den seiner Frau Bahar und der drei Kinder von Oberhausen nach Mönchengladbach. Die Stadtverwaltung: "Soysal hat sich völlig ruhig verhalten." Deshalb gab es auch keinen Grund, gegen ihn ein politisches Betätigungsverbot zu erlassen oder ihm einen Reiseausweis zu verweigern. Am 26. Januar 1998 bekam er den Flüchtlingspaß Nr. 0790937. Die Familie bezieht in Mönchengladbach Sozialhilfe.

Unter dem Decknamen Mehmet Hodcha gehörte Soysal der PKK-Europaleitung in Brüssel an. Da die PKK in Belgien, anders als in Deutschland, nicht verboten ist, hatten die deutschen Behörden gegen diese Tätigkeit keine Handhabe. Anhaltspunkte dafür, daß der Funktionär von Brüssel aus Befehle zu gesetzwidrigen Aktionen an PKK-Angehörige in Deutschland gegeben hat, gab es nicht.

Nach Bewertung aller Umstände gehen hohe deutsche Sicherheitsbeamte davon aus, daß die Soysal-Aktion des türkischen Geheimdienstes bewußt fünf Tage geheimgehalten wurde, um die Nachricht unmittelbar vor dem Besuch von Bundesaußenminister Fischer am letzten Donnerstag in Ankara veröffentlichen zu können. "Die Türkei wollte Fischers Vorstößen für Menschenrechte und für Öcalan ihre durch den Fall Soysal untermauerte Klage entgegenhalten, daß sich PKK-Führer in Deutschland unbehelligt betätigen können."

Soysal ist in Deutschland seit dem 29. Februar 1995 rechtskräftig als Asylberechtigter anerkannt. Er hatte zuvor mehrfach wegen seines Engagements für die kurdische Sache in türkischen Gefängnissen gesessen. Letzten Freitag wurde gegen ihn Anklage wegen staatsfeindlicher Betätigung erhoben. Darauf stehen bis zu 22 Jahre Haft. Soysal leidet an Hepatitis-B und ist schwer nierenkrank. Ohne Medikamente hat er nicht einmal die Aussicht, den Beginn des Prozesses zu erleben.