sz, 27.7. Meinungsseite

Lockerungsübungen in der Ägäis

Athen und Ankara wollen ihr angespanntes Verhältnis entkrampfen, doch es gibt Störmanöver

Von Wolfgang Koydl

Istanbul, 26. Juli - Die Szene ereignete sich vergangene Woche im türkischen Außenministerium, und sie war kennzeichnend für das schwierige Verhältnis zwischen Athen und Ankara: Die griechische Botschaft hatte gegen einen Zwischenfall protestiert, bei dem - nicht zum ersten Mal - eine griechische Verkehrsmaschine nach dem Start vom cyprischen Flughafen Larnaca von türkischen Kampfflugzeugen bedrängt worden war. An Bord befand sich der griechische Verkehrsminister Tassos Mandelis, der an den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der türkischen Militärintervention in Cypern teilgenommen hatte.

Solche Zwischenfälle ereignen sich immer wieder, und daher sind auch Athens Proteste in Ankara fast schon zum Ritual verkommen. Doch diesmal war alles anders. Der türkische Gesprächspartner, ein ranghoher Diplomat, entschuldigte sich für den bedauerlichen Vorfall und ließ durchblicken, daß sein Ministerium derart kindische Muskelspiele nicht billige. Doch leider habe das Außenamt keinen Einfluß auf Militärmaschinen.

Die mehr als nur verhaltene Kritik des Zivilisten an den militärischen Kraftakten ist verständlich. Schließlich bemühen sich die Außenministerien beider Länder seit geraumer Zeit um eine Verbesserung der Beziehungen, die im Februar im Zusammenhang mit der Festnahme des kurdischen Parteiführers Abdullah "Apo" Öcalan einen absoluten Tiefpunkt erreicht hatten. Damals war bekannt geworden, daß griechische Stellen und Privatpersonen den kurdischen Terror-Boss gedeckt und ihm sogar zu einem Unterschlupf in der griechischen Botschaft in Nairobi verholfen hatten.

Noch ist das Pflänzchen des Dialogs sehr zart und verletzlich, welches die Außenminister Ismail Cem und Georgios Papandreou vor gut einem Monat bei einem Treffen bei den Vereinten Nationen in New York gesetzt hatten. Damals hatte man sich darauf geeinigt, heikle Themen wie etwa Cypern, Hoheitsrechte in der Ägäis und ähnliches auszuklammern und sich stattdessen mit unverfänglichen Dingen zu befassen. Das Kalkül ging auf: Das Treffen wurde allgemein als Erfolg gewertet. Zweifelsohne trug zu dem Erfolg auch bei, daß sich die beiden europäisch gebildeten Männer persönlich gut zu verstehen scheinen. Cem entstammt einer Familie osmanischer Juden aus Thessaloniki, die schon frühzeitig zum Islam übergetreten waren. Nach unbestätigten Berichten sollen Cem und Papandreou zudem seither mehr als einmal miteinander telephoniert haben.

Ein konkretes Ergebnis ihres Treffens ist nun die Wiederaufnahme von Expertengesprächen. Sie waren nach dem Öcalan-Fiasko unterbrochen worden. Nun werden sich - abwechselnd in Ankara und Athen - wieder je sechs führende Beamte der Außenministerien beider Länder treffen, um einen ausführlichen Katalog von Fragen zu erörtern. Sie bekleiden alle keinen hohen Rang, aber auch dies ist durchaus so gewollt: Stille Diplomatie statt kreischender Schlagzeilen, dies ist das Motto der beiden Minister.

Anfangs sollen auch bei diesen Beamtengesprächen nur anscheinend unverfängliche Themen wie Tourismus, Umweltprobleme, Handelsbeziehungen und Wirtschaftsfragen auf den Tisch kommen. Doch auch diese Themen haben es - wenn man das angespannte Verhältnis von Griechen und Türken betrachtet - in sich. Besonders pikant ist es, daß auch das Thema der gemeinsamen Terror-Bekämpfung zur Sprache kommen soll. Bei der nächsten Runde Ende der Woche in Athen wollen die Türken in diesem Rahmen auch über Öcalan und über die mutmaßliche griechische Unterstützung für die verbotene "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) sprechen.

Die Diplomaten scheinen entschlossen zu sein, ihren Dialog noch nicht einmal an Öcalan scheitern zu lassen. Gleichwohl sind sie sich bewußt, daß sie eine Gratwanderung absolvieren - auch wenn nicht gerade Militärmaschinen Regierungsmitgliedern des anderen Staates Angst und Schrecken einjagen. Papandreou weiß, daß er im eigenen Kabinett unter Erfolgsdruck steht, ebenso wie Cem in seinem. Ein falscher Schritt, und der hoffnungsvolle Dialog ist beendet, bevor er überhaupt richtig begonnen hat.