Neue Züricher Zeitung 24.7.99

Gemischte Reaktion auf Fischers Türkei-Besuch

Zweifel an Deutschlands guten Absichten

Die türkischen Medien haben den Besuch des deutschen Aussenministers Fischer in der Türkei unterschiedlich kommentiert. Während Fischers Mahnung an die Adresse der Türkei, die Menschenrechte besser zu achten, ein positives Echo auslöste, wurde seine Aussage, die PKK gelte in Deutschland als Terrororganisation, als Lüge zurückgewiesen.

paz. Istanbul, 23. Juli

Der Besuch des deutschen Aussenministers Fischer in der Türkei hat in den hiesigen Medien ein gemischtes Echo gefunden. Fischer hatte sich bei seinem zweitägigen Aufenthalt für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Ankara und der EU ausgesprochen. Er versprach seinen Gesprächspartnern, sich beim EU-Gipfel in Luxemburg dafür einzusetzen, dass die Türkei den Status einer Beitrittskandidatin erhalte. Gleichzeitig machte der deutsche Aussenminister aber klar, dass vor allem im Bereich der Menschenrechte Fortschritte verzeichnet werden müssten. Er widersprach Vermutungen, wonach die Türkei 1997 wegen ihrer muslimischen Bevölkerung von der Liste der Beitrittskandidaten gestrichen worden sei. Die EU sei kein religiöser Klub, sondern eine Gemeinschaft, die auf bestimmten Werten basiere, sagte er. Dazu zählten vor allem die Respektierung der Menschenrechte.

Die westlich orientierte Tageszeitung «Cumhuriyet» meinte selbstkritisch, in der Türkei stehe es mit den Menschenrechten tatsächlich nicht zum besten. Das Land habe in der EU erst dann einen Platz, wenn dies bessere. Solange aber der Kampf gegen den Terrorismus anhalte - so werden in der Türkei alle Aktionen gegen Kurden genannt -, sei dies nicht einfach. Einige Aufmerksamkeit fand in den Medien der Umstand, dass der vor einigen Tagen unter unklaren Umständen verhaftete Cevat Soysal, ein Kadermitglied der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, in Deutschland den Status eines anerkannten Flüchtlings hat. Dies sei ein weiterer Beweis europäischer Schwäche gegenüber der PKK, lautete der Grundtenor.

Die konservativ-nationalistische «Hürriyet» bezeichnete Fischers Aussage, die PKK gelte in Deutschland als eine terroristische Organisation, als eine Lüge. Denn die Entscheidungsträger der Organisation lebten unbehelligt in Deutschland und verfügten über deutsche Personalausweise. Eine weitere Lüge sei es schliesslich, wenn Deutschland behaupte, die Türkei in ihrem Ersuchen um einen EU-Beitritt unterstützen zu wollen. Seit 35 Jahren bekomme man dieselbe Geschichte zu hören. Die liberale «Milliyet» begrüsste hingegen alle Versuche zur Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen. Falls Deutschland aber die Türkei wirklich in der EU willkommen heissen möchte, müsse Berlin nun Druck auf Griechenland ausüben. Denn bisher seien alle Bemühungen am Veto Athens gescheitert.