Frankfurter Rundschau 24.7.99

Opposition geißelt Fischers Vorstoß für EU-Beitritt der Türkei

Union und FDP werfen Außenminister vor, Menschenrechtsfragen beiseite zu lassen und falsche Hoffnungen zu wecken

HAMBURG, 23. Juli (dpa/ap). Der Besuch von Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) in der Türkei hat die Diskussion über einen EU-Beitritt des Landes neu entfacht. Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestages, Friedbert Pflüger (CDU), kritisierte am Freitag die Äußerungen Fischers, die Türkei solle zu einem EU-Beitrittskandidaten werden. "Nicht die EU hat der Türkei bisher den Weg zur EU versperrt; die Türkei hat sich in den vergangenen Jahren mit ihrer Menschenrechtspolitik selbst aus dem Kreis der Kandidaten herauskatapultiert", sagte Pflüger der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Beitrittsgespräche zum jetzigen Zeitpunkt lehne er ab. Wer die Türkei zu einem offiziellen Beitrittskandidaten erkläre und die finnische Ratspräsidentschaft in diese Richtung dränge, wecke Erwartungen, die bis auf weiteres nicht erfüllt werden könnten.

Der außenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Christian Schmidt, hält eine Vollmitgliedschaft des Landes in den nächsten Jahren für unwahrscheinlich. Einige Probleme in der Türkei - etwa die Zypern-Frage und die Rolle des Militärs - sprächen dagegen. Auch gebe es in der Frage der Todesstrafe und der Rechtsstaatlichkeit noch viel zu tun, betonte Schmidt im WDR.

Er sehe weder "kurz- noch mittelfristig" eine Beitritts-Perspektive für die Türkei, sagte auch FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle der BZ in Berlin.

Unterstützung erhielt Fischer dagegen von dem grünen Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir. Bei der Helsinki-Konferenz im Herbst wird die Türkei nach seiner Einschätzung Kandidat werden. "Wenn dem nicht so wäre, wäre das wirklich ein Rückschlag für die europäisch-türkischen Beziehungen. In Helsinki muß eine neue Seite aufgeschlagen werden." Allerdings werde sich die Menschenrechtspolitik der Türkei in kurzer Zeit nicht dramatisch verändern. Özdemir hatte Fischer bei seinem zweitägigen Besuch in Ankara begleitet.

Der türkische Präsident Süleyman Demirel hat der Zeitung Hürriyet zufolge seinen Amtskollen Johannes Rau eingeladen. Er habe im Gespräch mit Fischer gelobt, daß sich Rau auch als Präsident der Türken in Deutschland betrachte.

Ministerpräsident Bülent Ecevit kritisierte indessen am Freitag eine vom Europa-Parlament verabschiedete Resolution. Darin wird die Türkei davor gewarnt, das Todesurteil gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan zu vollstrecken. Es sei "unverzeilich", sich auf diese Weise in die Angelegenheiten eines Landes einzumischen.