taz Hamburg, 24.7.1999

"Nur Makulatur"

Kranker Kurde in Abschiebehaft: Anwalt greift Ausländerbehörde an

Schon wieder ein Fall, bei dem die Ausländerbehörde der Stadt die frische rot-grüne Koalitionsvereinbarung zur Abschiebepraxis offenbar ignoriert: Ein 27jähriger Kurde sitzt in Abschiebehaft, obwohl er schwer krank ist. Sein Rechtsanwalt Mahmut Erdem sagt: "Die Behörde behandelt die politischen Vorgaben, die von der rot-grünen Regierung gemacht werden, als seien sie Makulatur." Erdem ist auch Abgeordneter der GAL in der Bürgerschaft. Die Ausländerbehörde weist Erdems Vorwürfe zurück.

Der Kurde sitzt seit drei Wochen in Haft. Er war zuvor in ärztlicher Behandlung, weil er nach Angaben seines Anwaltes an Magenkrebs erkrankt war. Seit er im Gefängnis ist, ist die Behandlung abgebrochen. Der 27jährige ist daraufhin vor zwölf Tagen in den Hungerstreik getreten, den er bis jetzt durchhält. "Mein Mandant sieht inzwischen aus wie ein Gespenst", sagt Erdem. Die gestrige Gerichtsverhandlung, in der über die Abschiebung entschieden werden sollte, wurde schon nach wenigen Minuten abgebrochen. Der Richter hatte den Angeklagten für nicht verhandlungsfähig erklärt. Der Mann ist inzwischen so geschwächt, daß er "mehrmals in der Haft umgefallen" ist, sagt sein Anwalt.

Für Mahmut Erdem ist das ein klarer Verstoß gegen die Vereinbarungen, die Rot und Grün vor zwei Wochen in einer Nachtsitzung zum Thema Abschiebung festgeklopft haben: "Wir haben ausgemacht, daß die Behörde in heiklen Fällen Fingerspitzengefühl walten läßt". Dies vermißt der Anwalt im Fall seines Mandanten vollkommen. "Abschiebehaft darf nur die ultima ratio, die letzmögliche Lösung sein", verlangt der GAL-Parlamentarier.

Der Kurde war im April von der Behörde aufgefordert worden, sich am Flughafen einzufinden und in seine Heimat zurückzufliegen. Dieser Aufforderung war er nicht nachgekommen und danach vor drei Wochen bei einer Polizeikontrolle erwischt worden.

Die Ausländerbehörde spricht von "völlig haltlosen Vorwürfen". Sie habe von der Krankheit und dem "angeblichen Hungerstreik" des Kurden erst gestern durch Erdem erfahren. Der Kommentar des Anwalts: "Alles Quatsch. Reine Desinformation."

Peter Ahrens