Offener Brief an Außenminister Fischer

Sehr geehrter Herr Fischer, wieder einmal hat es der NATO-Mitgliedsstaat Türkei in einer geheimdienstlichen Operation und mit offensichtlicher Unterstützung des NATO-Ost-Kandidaten Moldawien erreicht, daß ein kurdischer Politiker in die Hände seiner Folterer gelangt ist. Das ERNK-Mitglied Cevat SOYSAL, seit 1995 anerkannter Asylbewerber in Deutschland, war bereits über 10 Jahre Gefangener in dem berüchtigten Gefängnis von Diyarbakir.

In Anbetracht der derzeitigen politischen Verhältnisse in der Türkei infolge der Verschleppung des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan und der gegen ihn verhängten Todesstrafe, aber auch aufgrund der Tatsache, daß nun die MHP/Grauen Wölfe einen erheblichen Einfluß auf die Entwicklung in diesem Land nimmt, ist eine Intervention insbesondere von seiten der deutschen Politik erforderlich. Deutschland muß aufgrund der seit langem besonders gut funktionierenden Beziehungen zur Türkei auf den Gebieten der Rüstungsexporte, der Wirtschafts- und Polizeihilfe endlich den Schwerpunkt mehr auf den menschenrechtspolitischen Aspekt legen und auf diesem Gebiet seiner Verantwortung nachkommen. Diese Möglichkeiten haben Sie als Außenminister in einem rot- grünen Kabinett. Verwirklichen Sie die Menschenrechtspolitik, die Sie und Ihre Fraktion in den Oppositionsjahren stets von der Regierung Kohl eingefordert haben.

Wir gehen davon aus, daß Ihnen bewußt ist, in welcher Situation sich Cevat Soysal (und zahlreiche gerade aus Deutschland abgeschobene kurdische Aktivistinnen und Aktivisten) befinden kann. Deshalb fordern wir Sie dringend auf, sich für die Sicherheit und das Leben von Cevat Soysal einzusetzen und darauf hinzuwirken, daß ihm die unverzügliche Rückkehr nach Deutschland, wo auch seine Familie lebt, ermöglicht wird.

Tragen Sie durch Ihren Einsatz dazu bei, den vom PKK- Vorsitzenden Abdullah Öcalan seit Jahren und in Haft erneut bekräftigten Prozeß einer friedlichen Lösung des Kurdistan- Konflikts zu unterstützen. Der Krieg in Kurdistan und die brutale Verfolgungspolitik des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung und die oppositionellen Kräfte müssen endlich beendet werden.

Dies würde sich selbstverständlich auch auf die im deutschen Exil lebenden Kurdinnen und Kurden auswirken. Die Aufhebung des PKK-Verbotes und die Freilassung der zahlreich in deutschen Gefängnissen einsitzenden politischen AktivistInnen ist zudem ein längst überfälliger Schritt hin zu einem Prozeß der Entspannung. Es ist nur schwerlich erklärbar, einen Krieg um die Menschenrechte in einem Nicht-NATO-Land zu führen, eine von Experten als Drogen-, Mafia- und Terrortruppe bezeichnete UCK als Befreiungsarmee anzuerkennen und zu unterstützen und ausgerechnet mit dem NATO-Land Türkei den »Frieden« im Kosovo zu sichern.

Setzen Sie sich bitte in dem gleichen Maße für die Menschenrechte und vor allem für eine Lösung der Kurdistan- Frage in der Türkei ein, wie Sie dies sehr leidenschaftlich und emotional im Falle der Kosovo-Albaner getan haben. Es wäre ein wichtiger Schritt.

In dieser Hoffnung sind wir mit freundlichen Grüßen

Monika Morres

Köln, den 21. Juli 1999

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