fr, 23.7.

Kommentar: Diplomatie und Piraterie

Ob die Türkei das Signal Fischers verstehen will, muß sie nicht nur am Fall Öcalan und nun Soysal zeigen

Von Vera Gaserow

Vielleicht ist das die berühmte diplomatische Kunst. Vielleicht ist es aber auch zuviel der Rücksichtnahme auf übergeordnete Interessen: Punktgenau zum Eintreffen des deutschen Außenministers hat die Türkei ihren Gast mit einem Piratenstück gegen die deutsche und internationale Asylgewährung brüskiert, und Joschka Fischer beschwört unbeirrt zuversichtlich die Menschenrechte. Die Lage der Menschenrechte, sagt der grüne Minister, habe "überragende Bedeutung" für die Beziehungen der Türkei zu Deutschland und Europa. Das dürfte nicht neu gewesen sein für die Gesprächspartner. Vielleicht hatten sie es gerade mal wieder vergessen.

Daß Fischers Türkei-Mission ein Balanceakt werden würde zwischen Handausstrecken und erhobenem Zeigefinger, war von Anfang an klar. Daß die Türkei ausgerechnet den politischen Türöffner zur EU mit der Vorführung eines PKK-Manns provoziert, mag man dabei als Kraftmeierei abtun. Fischer und seine Delegation haben sich von diesem Störfeuer wenig beirren lassen. Aber sie werden in den nächsten Monaten unter Beweis stellen müssen, daß die Strategie "Vertrauensbildung geht vor Druck ausüben" sichtbare Wirkung zeigt. Mit seinem demonstrativen Besuch im Domizil des türkischen Menschenrechtsvereins hat der deutsche Außenminister immerhin Flagge gezeigt.

Ob die türkische Seite das Signal verstehen will, muß sie nicht nur am Fall Öcalan und nun Soysal zeigen. Ansonsten wäre der Fischer-Besuch unter dem erklärten Primat der Menschenrechte nicht mehr als die bekannte "Schön, daß wir mal darüber geredet haben"-Strategie.