jw, 22.7.

Verschleppt oder teuer verkauft?

Türkei meldet Verhaftung eines hochrangigen PKK-Funktionärs. ERNK spricht von Inszenierung

In einer erfolgreichen Operation ist es gelungen, einen hochrangigen PKK-Funktionär in einem europäischen Land festzunehmen und in die Türkei zu bringen«, so der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit am Mittwoch stolz vor der Presse in Ankara. Ecevit ließ dabei offen, um welches europäische Land es sich handelt und unter welchen Umständen die Festnahme erfolgt war. In einer Meldung des türkischen Nachrichtensenders NTV hieß es zunächst, Cevat Söysal, einer der ranghöchsten Führer der PKK in Europa, sei in der BRD vom türkischen Geheimdienst MIT verhaftet worden. Der Sender zeigte Bilder, auf denen der Kurde in Geheimdienst-Manier, ähnlich wie im Februar Abdullah Öcalan, in Handschellen und mit verbundenen Augen aus einem <Bild: Abbildung> Flugzeug geführt wurde (Foto: AP). Außerdem wurde in Großaufnahme der deutsche Asylpaß Söysals gezeigt. Der MIT dementierte diese Meldung umgehend: Söysal sei nicht in der BRD festgenommen worden, sondern habe bei seiner Verhaftung lediglich deutsche Papiere bei sich gehabt.

In einer Erklärung der Europavertretung der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) heißt es dazu, Cevat Söysal sei kein hochrangiger PKK-Funktionär oder etwa der Europaverantwortliche der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), sondern lediglich Mitglied der ERNK. Etwa vor einer Woche sei seine Verhaftung in Moldawien bekannt geworden, was von den dortigen Behörden zunächst auch so bestätigt worden sei. Zwei Tage später, nachdem die ERNK versuchte, den Kurden freizubekommen, wurde dessen Inhaftierung von den amtlichen Stellen Moldawiens jedoch dementiert. Am 20. Juli tauchte Cevat Söysal dann als Gefangener in der Türkei auf. Über die genaueren Umstände der Verhaftung und der Auslieferung an die Türkei sei nichts bekannt.

Wie dem auch sei, ob der Kurde von moldawischen Behörden festgenommen und anschließend an die Türkei ausgeliefert wurde oder ob es sich dabei um eine konzertierte Aktion der verschiedenen Geheimdienste handelt, die Zusammenarbeit Moldawiens mit der türkischen Regierung ist nicht verwunderlich. Die ehemalige sowjetische Republik zwischen der Ukraine und Rumänien ist Mitglied des »Partnership for Peace«-Programmes der NATO. Im Zuge der geplanten NATO-Ost-Erweiterung ist dieses Programm sozusagen als Vorstufe zur NATO-Mitgliedschaft eingerichtet worden. Daß potentielle NATO-Partnerländer sich ihre Sporen - sprich die Aufnahme in das Militärbündnis - erst noch verdienen müssen, ist nicht neu. So war beispielsweise die Tinte auf dem Papier, in dem die Mitgliedschaft Ungarns in der NATO besiegelt wurde, noch nicht trocken, als von Militärflughäfen des Balkanstaates die ersten NATO-Kampfbomber in Richtung Jugoslawien abhoben.

So dürfte auch Moldawien nicht ganz uneigennützig mit der Türkei kooperiert haben. Kleine Geschenke erhalten eben die Freundschaft. Interessant ist indes die zeitliche Nähe zum Besuch Joseph Fischers in der Türkei. Der BRD-Außenminister wurde am Mittwoch in Istanbul erwartet.

Birgit Gärtner