Wiener Zeitung, 21.7.99

EU-Außenministertagung in Brüssel

Schüssel regt EU-Initiative zu Kurden in der Türkei an

Brüssel · Außenminister Wolfgang Schüssel hat den EU-Partnern eine europäische Initiative zugunsten der kurdischen Minderheit in der Türkei vorgeschlagen. -Wir müssen den Rechten des kurdischen Volkes mehr Augenmerk schenken", forderte Schüssel Montag bei einer Aussprache der EU-Außenminister zum Auftakt einer Ratssitzung in Brüssel.

Eine europäische Initiative wäre sinnvoll und würde auch der Türkei selber helfen, auf dem Weg zu europäischen Standards weiterzugehen, betonte Schüssel. Zuvor hatte der Staatssekretär im deutschen Auswärtigen Amt und künftige EU-Kommissar Günter Verheugen unterstrichen, daß die Türkei aus deutscher Sicht ein EU-Beitrittskandidat sei. Sie müsse aber auch einen eigenen Beitrag leisten, damit dies gelinge.

Im Vordergrund der Aussprache stand die Lage am Balkan. Verheugen erklärte, daß sich die Anforderungen an die gemeinsame EU-Außen- und Sicherheitspolitik mit der Krise am Balkan dramatisch verändert hätten. Die EU spiele eine Schlüsselrolle im Kosovo. Sie müsse für Recht und Ordnung sorgen und rechtzeitig winterfeste Unterkünfte für die Flüchtlinge schaffen. Eine dauerhafte Stabilisierung der Lage setze Demokratie und Rechtsstaatlichkeit voraus. Auch Schüssel zeigte sich überzeugt, daß ohne funktionierende -Bürgergesellschaft" und Pressefreiheit Stabilität und Demokratie im Kosovo nicht möglich seien.

Schüssel regte erneut ein Netz -neuer Partnerschaften" für Europa an, in das über die osteuropäischen Beitrittskandidaten hinaus Rußland, die Ukraine oder der Kaukasus einbezogen werden sollten. Das Tempo des Beitrittsprozesses dürfe darüber aber nicht verlangsamt werden. Bulgarien und Rumänien, die in der zweiten Gruppe der Bewerber sind, müsse zu Jahresende ein -ermutigendes Zeichen" gesendet werden.

Sorge äußerte Schüssel darüber, daß die osteuropäischen Länder der nuklearen Sicherheit zu wenig Bedeutung beimäßen.

Behutsam sollte die EU laut Schüssel bei der Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vorgehen. Man dürfe nicht den -dritten vor den ersten Schritt" setzen und etwa bereits gemeinsame Rüstungsprogramme ins Auge fassen.

An der Ratstagung nahm erstmals der neuernannte Koordinator für den Stabilitätspakt am Balkan, Bodo Hombach, teil.