Westfälische Nachrichten 20.7.99

Verheugen: Balkan wird Testfall für Europas Außenpolitik

Brüssel (dpa) - Der Aufbau einer dauerhaften Ordnung auf dem Balkan wird nach Ansicht der Bundesregierung zur Nagelprobe für eine starke EU- Außenpolitik.

«An dieser Aufgabe wird sich zeigen, ob Europa seine außenpolitische Verantwortung wahrnehmen kann oder nicht», sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Verheugen, am Montag in Brüssel vor Journalisten. Die EU- Außenminister der 15 EU-Staaten berieten dort erstmals unter finnischer Präsidentschaft, wie die Union nach der Kosovo-Krise ihre Außenpolitik insgesamt ausrichtet.

Eines der Themen der Außenministertagung war die Umsetzung des sogenannten Stabilitätspaktes für Südosteuropa, mit dem die Region befriedet werden soll. «Erfolg oder Mißerfolg des Stabilitätspaktes bedeutet auch Erfolg oder Mißerfolg der Entwicklung eines europäischen Krisenmanagements», sagte Verheugen. Der EU komme beim Wiederaufbau des Kosovo eine Schlüsselrolle zu. «Eine dauerhafte Stabilität setzt Demokratie und Rechtstaatlichkeit voraus», sagte er dazu in der Ministerdebatte.

Der SPD-Außenpolitiker wies auf die zentrale Aufgabe des neuen Balkan- Sonderbeauftragten Bodo Hombach hin, der bisher Bonner Kanzleramtschef war. Hombach wollte sich am Nachmittag dem Außenministerrat der Europäischen Union (EU) erstmals vorstellen. Es soll dann entschieden werden, wo Hombach mit seinem Sekretariat seine Zelte aufschlagen wird. Verheugen sagte zu Hombachs künftiger Tätigkeit: «Rein praktisch ist es von Brüssel aus besser.» Griechenland setzt sich für Thessaloniki ein. In der Kosovo- Hauptstadt Pristina soll ebenfalls ein Operationszentrum errichtet werden.

Der britische Außenminister Robin Cook sagte, die geplante EU- Erweiterung in Mittel- und Osteuropa dürfe durch die Anstrengungen auf dem Balkan nicht aufgehalten werden. Die EU müsse sich auch Gedanken machen über ihr Militär. Die Union habe zwei Millionen Menschen unter Waffen, doch es sei schwierig gewesen, 2,5 Prozent davon als Kosovo-Eingreiftruppe zu formieren. «Wenn wir in Zukunft effektiv in Krisen sein wollen, brauchen wir eine flexiblere, schnellere und beweglicher Militärkapazität.»

Der italienische Außenminister Lamberto Dini setzte sich für eine eigene militärische Interessenvertretung der Europäer ein. «Die EU muß die Möglichkeiten bekommen, einen Grad von Selbstbestimmung zu erlangen, um ihre Interessen verteidigen zu können. Die müssen wiederum nicht unbedingt mit denen der USA übereinstimmen», sagte Dini.

Die Außenminister erwarteten am Mittag auch den scheidenden Nato- Generalsekretär Javier Solana, um mit ihm über dessen künftige Aufgabe als «EU-Außenminister» zu beraten. Solana sollte nach Ansicht der Bundesregierung bald sein Amt antreten. «Ein wünschenswertes Datum wäre Anfang Oktober», sagte Verheugen. Cook ergänzte, Solana müsse ein schlagkräftiges Team außenpolitischer Experten aus den Mitgliedsstaaten zur Seite stehen, damit die EU schneller auf Krisen reagieren könne.

Für den späten Nachmittag war eine Europakonferenz vorgesehen, bei der es vor allem um die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität sowie das Kosovo gehen wird. Dazu wollte die Türkei nicht erscheinen. Österreichs Außenminister Wolfgang Schüssel sagte, die EU müsse sich mit der Kurdenfrage in der Türkei beschäftigen. «Eine europäische Initiative wäre sinnvoll», sagte er in der Debatte. Die Lage der Kurden müsse gesehen werden wie die von anderen Minderheiten in europäischen Ländern. Laut Verheugen ist die Türkei ein potentieller EU-Beitrittskandidat. Bonn wolle mitarbeiten, die strategisch wichtige Türkei näher an die EU heranzuführen