Die Welt, 20.7.99

"Was gut lief, war purer Zufall"
SPD-Politiker Lorenz, Mitglied im Kurden-Untersuchungsausschuß, kritisiert die Polizei

Von Andreas Baumann

Beim Sturm kurdischer Demonstranten auf das israelische Generalkonsulat im Februar diesen Jahres haben Polizei und Innenverwaltung nach Meinung des innenpolitischen SPD-Sprechers Hans-Georg Lorenz versagt. "Was immer an diesem Tag für die Polizei gut lief, war purer Zufall. Was schlecht war, lag in Systemfehlern begründet", sagte der Politiker gegenüber der WELT. Die bisherige Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den tödlichen Schüssen auf vier Kurden habe gravierende Kommunikations- und Führungsmängel innerhalb der Berliner Sicherheitsbehörden aufgezeigt.

So erfuhr der Polizeiführer Günter Neumann, am 17. Februar stadtweit verantwortlich für den Raumschutz (das Bereithalten von Einsatzkräften an strategisch wichtigen Punkten), von seinen Vorgesetzten nicht, was in vorangegangenen Lagebesprechungen erörtert worden war. Von einer möglichen Gefährdung israelischer Einrichtungen wußte der Beamte nur aus den Medien, wie er vor dem Untersuchungsausschuß einräumte. Daß am Generalkonsulat trotzdem relativ schnell 30 Polizisten eintrafen, war für Ausschuß-Mitglied Lorenz "reines Glück": Sie hatten eigentlich das türkische Konsulat bewacht ­ und das liegt nur wenige hundert Meter entfernt.

Polizeipräsident Hagen Saberschinsky und Innensenator Eckart Werthebach (CDU) erklärten später, es habe nur vage Warnhinweise für israelische Objekte gegeben. Man sei von einer "hohen Eigensicherung" des Generalkonsulats ausgegangen; die Schutzmaßnahmen seien angemessen gewesen.

SPD-Mann Lorenz sieht die politische Verantwortung für das Blutbad in Grunewald beim Innensenator. Werthebach hätte die potentielle Bedrohung israelischer Objekte erkennen und reagieren müssen, so Lorenz. Statt einen Krisenstab zu bilden, habe es nur "eine Fülle von Einzelkontakten" zwischen Polizeispitze und Innenverwaltung gegeben.

"Im Untersuchungsausschuß wurde erkennbar, daß die Kommunikation innerhalb der Polizei und mit der politischen Führung nicht funktioniert", resümierte der Abgeordnete. "Die Polizei ist auf Großlagen, wie wir sie während der Kurdenkrawalle erlebt haben, unzureichend vorbereitet."

Sorgen machen dem innenpolitischen SPD-Sprecher deshalb die rund 180 Botschaften und ausländischen Vertretungen in der Hauptstadt. Lorenz vermißt "ein vernünftiges Raum- und Objektschutzkonzept" und fordert, die Gebäude müßten mit Sicherheitstechnik so befestigt werden, daß sie einem Überfall bis zum Eintreffen der Polizei 15 bis 20 Minuten standhalten können. Die Sicherheitsbehörden müßten ihre "Frühwarnsysteme" verbessern. Ein zuverlässiger Schutz der Botschaften würde sonst einen personellen Aufwand verlangen, den sich Berlin nicht leisten könne.

Der Untersuchungsausschuß tagt nach der Sommerpause erst wieder am 3. September. Dann soll auch der Vorgesetzte des Polizeiführers Neumann vernommen werden.