sz, 15.7. Berlin-Seite

Tod nach Vorschrift

Immer nur scheibchenweise kommt die Wahrheit über die Erstürmung des Israelischen Generalkonsulats ans Licht. Vier Kurden starben dabei durch die Schüsse der israelischen Wachleute. Ein Untersuchungssausschuß müht sich, die Hintergründe zu klären, und er hat, trotz zahlreicher Behinderungen, einiges zutage gefördert. Eine Behörde schwieg bisher beharrlich zu allen wichtigen Fragen: das Landesamt für Verfassungsschutz. Eine Aussagegenehmigung für Zeugen wurde nicht erteilt, aus Sorge um den Schutz der V-Leute. Nun scheint es, daß dieser Grund nur vorgeschoben war. Denn offensichtlich ist dem Amt eine schwere Panne unterlaufen. Ein V-Mann soll am Morgen der Erstürmung nicht zum Berliner Kurden-Zentrum gefahren sein, obwohl bekannt war, daß dort neue Aktionen geplant werden sollten. Die Sicherheitsbehörden erfuhren so erst durch einen Hinweis des großen Bruders Bundesverfassungsschutz von dem bevorstehenden Angriff auf das Konsulat. Vier Tote durch Dienst nach Vorschrift? Es kann einem angst und bange werden, wenn man bedenkt, daß ein Amt wie der Berliner Verfassungsschutz künftig für die Sicherheit in der Hauptstadt sorgen soll. Die Krux ist, daß die Sicherheitsbehörden jahrzehntelang überbesetzt waren und daß alle Aufgaben immer mit dem Einsatz von viel Personal bewältigt werden konnten. Um die Sicherheit ist es also nicht deshalb so schlecht bestellt, weil es zuwenig Polizisten oder zu milde Gesetze gibt, wie die CDU gerne behauptet. Das Problem ist, daß diese Stadt nicht intelligent geschützt wird. Doch anstelle von neuen Konzepte werden lediglich Überstunden produziert. Auch beim Verfassungsschutz hat man offenbar noch nicht verstanden, daß für Berlin mit dem Regierungsumzug andere Zeiten anbrechen. Nur wenn die Fehler offengelegt werden, gibt es eine Chance, daß sie in Zukunft vermieden werden können. Doch selbst soweit ist man dort offenbar noch nicht. Philip Grassmann