taz Nr. 5883 vom 12.7.1999 Seite 4

Mißverständnis über kritischen Türkei-Bericht

Ministerien dementieren "Spiegel": Außenamt prüft Lageberichte gründlich

Bonn (dpa) - Auswärtiges Amt (AA) und Bundesinnenministerium haben Berichte zurückgewiesen, nach denen Bundesaußenminister Joschka Fischer einen kritischen Bericht über die Menschenrechtslage in der Türkei verhindern wollte. Die Behauptung des Spiegel, Fischer habe den Lagebericht angehalten, da er zu radikale und kritische Feststellungen enthalten habe, "ist schlicht falsch", erklärte ein AA-Sprecher. Die Aussage, das Innenministerium habe Bedenken geäußert, sei "frei erfunden", sagte der Sprecher des Innenministeriums: Dem habe der Bericht gar nicht vorgelegen.

Das AA betonte, Fischer wolle Menschenrechtsfragen aus solchen Berichten künftig keineswegs ausklammern. Der Minister habe vielmehr eine grundsätzliche Überprüfung der Lageberichte angeordnet, mit denen "das Auswärtige Amt alle asyl- und abschieberelevanten Tatsachen und Ereignisse in den Herkunftsländern von Asylbewerbern beschreibt".

Laut Spiegel steht in dem von Staatsminister Ludger Volmer (Grüne) dem Auswärtigen Bundestagsausschuß Mitte Juni angekündigten Bericht, daß Kurden, auch wenn sie sich nicht separatistisch oder terroristisch betätigen, "Willkür oder Folter" ausgesetzt seien. Das Innenministerium habe Bedenken gegen den Text angemeldet. Fischer und die politische Spitze des AA hätten daraufhin beschlossen, die brisanten Lageberichte künftig ohne Wertungen über die Menschenrechtssituation zu verfassen.

Michaelis sagte, die Darstellung stelle "die Tatsachen geradezu auf den Kopf". Mit der von Fischer angeordneten Überprüfung sollte der oft heftigen Kritik an der Handhabung der Lageberichte durch die frühere Regierung Rechnung getragen werden. Der Türkei-Bericht sollte als erster nach dem neuen Verfahren erstellt werden. Dies erkläre den zusätzlichen Zeitbedarf. Kern der Reform sei ein Dialog mit dem UN-Flüchtlingskommissar und regierungsunabhängigen Organisationen über die Lage in den Herkunftsländern der Asylbewerber.