jw, 10.7.

Rom prüft Asyl für Öcalan

Gericht lud Zeugen vor. Regierung gegen Exekution des PKK-Chefs

In aller Stille läuft in Italien das Verfahren um die Anerkennung des zum Tode verurteilten PKK-Führers Abdullah Öcalan als politischer Flüchtling. In Rom hat das zuständige Gericht jetzt die Zeugen vorgeladen, die von den Anwälten des PKK-Chefs präsentiert worden waren. Die Zeugen trugen dramatische Erlebnisse vor über den Versuch des türkischen Regimes, ein Volk zu vernichten: Folter in den Gefängnissen, Negierung der kurdischen Identität und Sprache, systematische Vergewaltigungen durch die türkischen Soldaten. Der Journalist Gunaj Aslam erzählte, wie er 1988 ein Massengrab mit 73 toten Kurden entdeckte, die von den türkischen Behörden als »verschwunden« bezeichnet wurden.

Rechtsanwalt Mustafa Demir, vormals Präsident des Verbands der kurdischen Juristen, berichtete von den Folterungen im Gefängnis, seitdem er seine politische Aktivität begonnen hat, und von zahlreichen Verhaftungen wegen der Verteidigung kurdischer Bürger. Ibrahim Erden war dagegen Augenzeuge der Zerstörung zweier Dörfer, der von der Bevölkerung erlittenen Qualen und der Vergewaltigung der Frauen. Auch der italienische Pazifist Dino Oprisull berichtete von seiner Haftzeit im Gefängnis von Diyarbakir, wo er wegen »Aktivitäten gegen die Einheit des Staates« festgehalten wurde.

»Eine positive Entscheidung wäre entscheidend für die Rettung des Lebens von Öcalan und für die Suche nach einer gerechten und friedlichen Lösung der kurdischen Frage«, erklärte Giuliano Pisapia, einer der Anwälte des PKK-Chefs. Die Anwaltschaft des Staates, die die italienische Regierung vertritt, und die Anwälte Öcalans haben am Freitag ihre Abschlußberichte beim Zivilgericht Rom hinterlegt. Am 31. Juli wird Amnesty International Italien einen Appell mit Tausenden von Unterschriften zugunsten der Gewährung des politischen Asyls an Richter Paolo De Fiore übergeben. Die Entscheidung des Gerichts wird für Ende September erwartet.

Die italienische Regierung hat sich in diesen Tagen bemüht, Druck auf die türkische Regierung auszuüben und sie von der Exekution der Todesstrafe abzuhalten. Das Parlament hat eine Entschließung verabschiedet, die in diese Richtung zielt, doch fehlt der ursprüngliche Wunsch auf eine positive Entscheidung im Asylrechtsverfahren. Die Grünen hatten einen Entwurf vorgelegt, in dem ausdrücklich die Hoffnung auf die Gewährung politischen Asyls geäußert und der Waffenhandel mit dem türkischen Regime verurteilt wird. Doch haben die Grünen im letzten Moment entschieden, sich der vorsichtigen Mehrheitsentschließung der Regierung anzuschließen. Auf diese Haltung könnten auch die Pressionen italienischer Unternehmen in der Türkei gewirkt haben, die ihre Geschäfte nicht durch politische Konflikte kompromittiert sehen wollen.

Die Beziehungen zwischen Italien und der Türkei sind zumindest den Berichten in der türkischen Presse nach zu urteilen wieder so angespannt wie im vergangenen Jahr, als Öcalan sich in Italien befand. Für die türkischen Zeitungen ist Rom das neue Zentrum der PKK und Italien »Hort des Terrorismus«. Der türkische Premier Bülent Ecevit bedauerte, daß das italiensiche Parlament Sympathie gegenüber dem Terrorismus aufbringe. Die Reaktion von Italiens Regierungschef Massimo D'Alema folgte sofort: »Italien hat weder Sympathie noch Solidarität gegenüber terroristischen Akten. Aber dieser Terrorismus ist die andere Seite der Repression und des Krieges. Diese Spirale muß gebrochen werden.«

Cyrus Salimi-Asl, Neapel