Berliner Zeitung, 9.7.

Gerichtshof verurteilt Türkei wegen Folter

STRASSBURG, 8. Juli. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Türkei am Donnerstag in 15 Fällen wegen der Folterung von Kurden und Verstößen gegen die Grundrechte auf Pressefreiheit und auf faire Gerichtsverfahren verurteilt. Die Richter wiesen die Regierung in Ankara an, mehrere hunderttausend Mark Schadenersatz und die Gerichtskosten zu zahlen. Die Urteile sind für die Türkei bindend, da sie zu den Unterzeichnern der Europäischen Menschenrechtskonvention gehört.In einem Fall klagte der Bruder eines Kurden, der im November 1993 nach seiner Festnahme durch türkische Sicherheitskräfte im Südosten der Türkei nach Zeugenangaben mit Elektroschocks gefoltert und geschlagen wurde. Er blieb 17 Tage in Haft und ist seither verschollen. Nach Angaben der türkischen Regierung wurde der Ausweis des Mannes bei der Leiche eines getöteten "Terroristen" gefunden. Die Staatsanwaltschaft stellte daraufhin die Ermittlungen ein. Ein zweites Urteil betrifft einen Arzt, der 1993 auf offener Straße erschossen wurde. Acht türkische Soldaten hatten die flüchtenden Täter nicht verfolgt. Den Hinterbliebenen des Toten wurde Schadenersatz in Höhe von rund 132 000 Mark zuerkannt.

Die übrigen 13 Beschwerden wurden vom Herausgeber einer Istanbuler Wochenzeitschrift, mehreren Schriftstellern, Professoren, Journalisten und Gewerkschaftern eingereicht. Sie waren in der Türkei zu Haftstrafen und Geldbußen verurteilt worden, weil sie für die Rechte der Kurden eingetreten waren oder die Regierung kritisiert hatten. Einige der Urteile wurden von türkischen Staatssicherheitsgerichten gefällt, in denen auch Militärrichter vertreten waren. Dies rügte der Gerichtshof als Verstoß gegen das Recht auf ein unparteiisches Gerichtsverfahren. In elf Fällen stellte er zudem Verstöße gegen die Presse- und Meinungsfreiheit fest.

Die Türkei hat aufgrund von Straßburger Urteilen die Staatssicherheitsgerichte reformiert. Seit kurzem sind dort keine Militärrichter vertreten. Die Umsetzung der Urteile überwacht das Ministerkomitee des Europarats. (AFP, dpa)