Rheinische Post, 9.7.

"Lageeinschätzung war nicht sachgerecht"

Polizei bei Kurdenkrawallen: Einzelheiten aus interner Beurteilung

Von STEFANI GEILHAUSEN DÜSSELDORF (RP). Vier Monate nach dem umstrittenen Polizeieinsatz bei der Besetzung des griechischen Generalkonsulats durch kurdische Demonstranten sind jetzt Einzelheiten aus der internen Einsatzbewertung des Innenministeriums bekannt geworden. Experten aus der Abteilung für "Gefahrenabwehr und Strafverfolgung" kamen demnach bereits im März zu dem Schluß, daß die Leitlinien des Polizeiführers "in offenkundigem Widerspruch zu den landesweit geltenden Einsatzgrundsätzen" gestanden hätten.

Trotz klarer Hinweise aus dem Innenministerium seien Alternativen zu dem "einseitig auf Gefahrenabwehr und Risikovermeidung" ausgerichteten Einsatzkonzept "nicht sorgfältig genug geprüft" worden.

Am 16. Februar hatten nach der Festnahme des Kurdenführers Öcalan 70 Kurden das Konsulat an der Kaiserstraße gestürmt und verwüstet, waren erst nach mehr als 17 Stunden in einer Menge von rund 450 überwiegend kurdischen Sympathisanten untergetaucht und schließlich von der Polizei unbehelligt abgezogen.

Die nachträglichen Ermittlungen gegen die auf Polizeivideos festgehaltenen Rädelsführer haben nach Angaben der Staatsanwaltschaft inzwischen zu "mehreren" Strafverfahren geführt. Konkrete Zahlen wollte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Schwarz, gestern nicht nennen.

Während der Konsulatsbesetzung waren 30 Demonstranten am Landtag vorübergehend festgenommen worden, wurden aber aus dem Polizeigewahrsam entlassen, weil die Besetzer versprochen hatten, dann abzuziehen. Diese Zusage hatten die Besetzer freilich nicht eingehalten. Die Freilassung der 30 Kurden sei "weder rechtlich noch einsatztechnisch nachvollziehbar", heißt es laut Deutscher Presse-Agentur in dem sechsseitigen Abschlußbericht, der im März Innenausschuß und Minister Fritz Behrens vorgelegt wurde. Der Minister hatte den Bericht zum Anlaß für ein Gespräch mit Polizeipräsident Rainer Wittmann genommen, den er für den umstrittenen Einsatz kritisierte.

Die damaligen Einsatzleiter wurden zu Nachschulungen geschickt. Wie Ministeriumssprecher Hermann-Josef Borjans gestern der RP bestätigte, gab es nach dem Abschlußbericht aus der Fachabteilung keine weiteren personellen Konsequenzen.