Süddeutsche Zeitng 8.7.99

Türkischer Minister unternimmt Selbstmordversuch
Wirtschaftspolitiker schwer verletzt Hikmet Ulugbay nach Presseberichten in spekulative Insidergeschäfte verwickelt

Ankara (Reuters/AFP) - Der türkische Staatsminister für Wirtschaftsfragen, Hikmet Ulugbay, hat einen Selbstmordversuch unternommen. Der 60 Jahre alte Politiker der Demokratischen Linkspartei (DSP) von Premier Bülent Ecevit versuchte nach einem Bericht des türkischen Nachrichtensenders NTV in der Nacht zum Mittwoch, sich mit zwei Revolverschüssen das Leben zu nehmen. Ulugbay erlitt schwere Kopfverletzungen. Nach Regierungsangaben bestand nach einer dreistündigen Operation keine Lebensgefahr mehr. Der Minister war mit spekulativen Insidergeschäften in Verbindung gebracht worden. Ecevit sagte nach einem Besuch im Krankenhaus, Ulugbay sei sehr besorgt über seine am Freitag nach mehreren Wochen abgeschlossenen Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über eine mögliche Abwertung der türkischen Währung gewesen. Zeitungen hatten berichtet, Einzelheiten aus den vertraulichen Gesprächen seien an den Chef der Mutterlandspartei, Mesut Yilmaz, durchgesickert. Dessen Partei ist an der Regierungskoalition unter der Führung Ecevits beteiligt. Den Zeitungen zufolge nutzte ein Verwandter Yilmaz' die Informationen für spekulative Geschäfte. Yilmaz hatte später erklärt, als einer der Chefs der drei Koalitionsparteien habe er die Informationen von Ulugbay erhalten, aber nicht weitergegeben. Am Dienstag war ein Staatssekretär aus dem Finanzministerium zurückgetreten. Ecevit wies Presseberichte zurück, wonach Ulugbays Selbstmordversuch in Verbindung mit der Affäre steht. "Das ist eine üble und unwahre Anschuldigung", sagte Ecevit. Ulugbay sei ein Mann mit einem "außergewöhnlich starken Verantwortungsgefühl. Die Verhandlungen mit dem IWF haben ihn sehr angestrengt." Der frühere Vize-Ministerpräsident und Bildungsminister Ulugbay bemüht sich um einen straffen Kurs in der türkischen Wirtschaftspolitik, um die derzeit bei 50 Prozent liegende Inflationsrate auf unter zehn Prozent zu drücken. Für den Reformkurs ist die Türkei dringend auf IWF-Kredite angewiesen.