fr, 6.7.

Gespräche wider die Verhärtung

Im Blickpunkt: Buros Vorschläge zur Lösung des Kurdenkonflikts

Von Edgar Auth (Frankfurt a.M.)

Zu Gewaltakten der Kurdenpartei PKK in Deutschland könnte es kommen, falls diese bei der Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei nicht internationale Hilfe erwarten könne, warnt der Verfassungsschutz die Bundesregierung. Vorschläge zur Entschärfung liegen vor, etwa jene des Friedensforschers Andreas Buro vom "Dialogkreis - Die Zeit ist reif für eine politische Lösung".

Buro erinnert daran, daß die Bundesregierung im November 1998 (als Öcalan in Rom war) die Absicht verkündet hatte, eine Initiative zur Förderung einer politischen Lösung der Kurdenfrage zu ergreifen. Dazu müsse sie sich nun erneut bekennen, schlägt der Politikwissenschaftler vor. Er bietet einen Handlungsleit- faden mit Schwerpunkt Dialoge an, der Doppeltes bewirken könnte: Zum einen gegenseitige "Verhärtungen" mit der Perspektive eines türkischen EU-Beitritts zu überwinden; zum anderen den Weg für eine EU-Friedenspolitik zu öffnen:

1. sollten dafür "Hearings zur Türkei-Kurden-Frage" abgehalten werden, bei denen "alle wichtigen Akteure angehört werden". Das könnte in Deutschland die Regierung oder ein spezielles Gremium übernehmen. Die Ergebnisse sollten jedermann zugänglich gemacht werden. Das würde laut Buro die Botschaft verbreiten: "Wir beginnen uns mit dieser Frage zu beschäftigen".

2. schlägt Buro die Bildung einer "hochangesiedelten Monitoring Gruppe" vor, die alle relevanten Daten zu sammeln, jährlich darüber zu berichten und dies mit Bewertungen und Empfehlungen zu verknüpfen hätte.

3. In der Europäischen Union sollten Friedensforschungsinstitute mit Konflikt-Analysen und Lösungsvorschlägen beauftragt werden. Das hätte noch den positiven Nebeneffekt, daß dadurch die EU-Friedensforschung sich näher käme, und daß zivile Friedensstrategien als wichtige Aufgaben dieser Institute institutionalisiert würden, merkt Buro an.

4. Eine eigens dazu einzurichtende Stiftung sollte "dezentrale Dialoge" ingang setzen. Sie würde dabei Hilfsorganisationen, soziale und berufliche Gruppen miteinander ins Gespräch bringen. "Dies diente gleichzeiting der Stärkung der Zivilgesellschaft als Ansprechpartner zum Abbau von Konflikten", schreibt Buro und erweitert diesen strategischen Aspekt mit dem Hinweis, daß die Stiftung auch in anderen Konflikten Gespräche vermitteln und möglicherweise in Kooperation mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ihre Schwerpunkte bestimmen könnte.

5. Ebenfalls zur Verstärkung von Problembewußtsein und gegenseitiger Anteilnahme könnten Städtepartnerschaften zwischen deutschen und südosttürkischen Kommunen beitragen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) sollte sich an der kommunalen Zusammenarbeit beteiligen, schlägt Buro vor.

In sein Lösungspaket hat Buro ferner Vorschläge untergebracht, wie die Lebensumstände von Kurden in Deutschland (etwa 500 000) zu verbessern wären. Sie sollten endlich mit anderen Einwanderergruppe gleichgestellt werden. Dazu wären kurdischsprachiger Unterricht sowie Rundfunk- und Fernsehsendungen ein Schritt. Auch sollten sie das immer noch teilweise unter Übernahme türkischer Gepflogenheiten verwehrte Recht erhalten, Kindern kurdische Namen zu geben. Beratungs- und Betreuungszentren für Kurdinnen könnten ebenfalls helfen, deren Benachteiligung hierzulande abzubauen. Buro erinnert dazu an einen entsprechenden Bundestagsbeschluß vom 7. November 1991, der die Möglichkeit zur "Bewahrung und Entfaltung ihrer kulturellen Identität" zum Ziel hatte. Schließlich hält Buro angesichts belegter Berichte über Folterungen abgeschiebener Kurden einen Abschiebeschutz für notwendig.

International zielen die Vorschläge des emeritierten Professors auf eine Stärkung der OSZE als Verständigungs-, Schlichtungs- und friedensschaffender Institution ab. Er erinnert an die Aufgaben, die diesem Zusammenschluß in der Pariser Charta von 1990 zugedacht wurden. "Am Beispiel des türkisch-kurdischen Konfliktes könnten die hilfreichen Funktionen eines solchen nicht-militärisch bestimmten Bündnisses zum Nutzen aller erkundet und ausgeweitet werden", hofft der Friedensforscher. Denn unabhängig von Schicksal des zum Tode verurteilten PKK-Chefs Abdullah Öcalan glaubt wohl niemand, daß der Kurdenkonflikt nun einfach einschlafen könnte.