Frankfurter Rundschau 1.7.99

Fahnder im Mordfall Palme als inkompetent gerügt
Schwedische Regierungskommission fällt vernichtendes Urteil / Wichtige Spuren mißachtet

Von Hannes Gamillscheg
KOPENHAGEN, 30. Juni. Nach dem Mord an Olof Palme hat Schwedens Polizei wichtige Spuren nicht verfolgt und mögliche Verdächtige aus den Augen verloren. Chaos und Inkompetenz prägten die Fahndung seit der Mordnacht, in der viel zu spät Alarm geschlagen und der Tatort nicht ordentlich abgesperrt wurde. Nun, mehr als 13 Jahre nach der Ermordung des damaligen schwedischen Ministerpräsidenten, kommt eine von der Regierung eingesetzte Expertenkommission zu einem für Polizei und Staatsanwaltschaft vernichtenden Ergebnis.

Die Kommission kritisiert Führungsschwächen und Koordinationsprobleme und prangert die "mangelhafte Analyse interessanter Motivbilder" an. Die schwersten Fehler seien zweifellos im ersten Fahndungsjahr begangen worden, sagte der Kommissionsvorsitzende Lars Eric Ericsson. Damals leitete der Stockholmer Polizeichef Hans Holmer die Ermittlungen, der den Mord der kurdischen PKK anlasten wollte. Viele Versäumnisse seien später nicht wiedergutzumachen gewesen, meint Ericsson.

Auch bei weiteren Ermittlungen hätten die Mordfahnder ihre Aufgabe verfehlt. Als der des Mordes angeklagte Christer Pettersson 1989 freigesprochen wurde, hätte das gesamte Führungsteam ausgewechselt werden müssen, um mit neuen Augen an den Fall heranzugehen, meint die Kommission. Statt dessen habe man sich weiter auf Pettersson konzentriert, was neun Jahre später zu dem - vom Obersten Gerichtshof abgewiesenen - Versuch führte, das Verfahren gegen diesen erneut aufzurollen.

Andere Spuren seien hingegen vernachlässigt worden. Die Kommission nennt die sogenannte Bofors-Spur - die durch Korruption geprägte Lieferung schwedischer Raketen an Indien als Mordmotiv -, Palmes Vermittlung im Krieg zwischen Iran und Irak und die Südafrika-Spur, nach der Agenten Pretorias den scharfen Apartheid-Kritiker ermordet hätten. Hinweise auf mögliche "einsame Täter" habe man so lange ignoriert, bis diese verschwunden seien. Unzureichend geprüft habe man auch den Palme-Haß in Schwedens bürgerlichem Lager, der rechtsextreme Kreise angestiftet haben könnte.

Besondere Aufmerksamkeit sollte die Kommission auf die Polizeispur richten, nach der ein rechtsradikales Netzwerk innerhalb der Stockholmer Polizei für die Tat verantwortlich sein könnte. Die Verschwörungstheorien, wonach Kollegen Kollegen gedeckt hätten, seien nicht überprüft worden, obwohl die Existenz dieser Clique schon vor dem Palme-Mord bekannt gewesen sei, beanstandet die Kommission. Oberstaatsanwalt Jan Danielsson sagte am Mittwoch, man werde der Polizeispur nun eingehend nachgehen.

Scharfe Kritik richtete Ericsson auch gegen die Geheimpolizei Säpo, deren führende Vertreter die Kommission belogen und ihr Material vorenthalten hätten. Justizministerin Laila Freivalds kündigte an, daß es als Konsequenz des Berichts "Veränderungen" geben werde, benannte sie jedoch nicht.