Der Standard, 28.6.99 

Polizei warnt Kurden vor Aktionen nach Urteil über Öcalan 

Michael Völker
Wien - Am Dienstag soll auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali das Urteil über PKK-Chef Abdullah Öcalan gefällt werden. Die USA haben ihre Staatsbürger bereits vor möglichen Gewalttaten von PKK-Anhängern gewarnt, in Deutschland wurden die Sicherheitsvorkehrungen ebenfalls verschärft. Auch in Österreich bereiten sich die Sicherheitsbehörden auf Proteste vor. In der vergangenen Woche erhielten Dutzende Sympathisanten der PKK Besuch von der Polizei.

Jeweils zwei Beamte in Zivil suchten vor allem in Wien Kurden auf, um ihnen von Aktionen am Dienstag "abzuraten". Die Beamten hatten teilweise Fotomappen von bisher stattgefundenen Demonstrationen mit. Betroffen waren vor allem jene Personen, die an den Besetzungen der Botschaften von Kenia und Griechenland am 16. Februar in Wien teilgenommen hatten.

Die Polizeibeamten machten die von ihnen aufgesuchten Personen darauf aufmerksam, daß sie "Gäste" in Österreich seien. Sollte es am Tag der Urteilsverkündung zu Ausschreitungen kommen, könnten die Behörden keine Rücksicht üben. Öcalan-Anhänger, die an Aktionen teilnehmen, drohten Maßnahmen wie Aberkennung der Staatsbürgerschaft, Ausweisung oder Abschiebung. Meist vergeblich versuchten die Beamten, schriftliche Erklärungen über einen Verzicht an jeglicher Aktion einzuholen.

Erol Polat, Sprecher des politischen Armes der PKK in Österreich, übt heftige Kritik an der "Kriminalisierung" der Kurden. Er will in den nächsten Tagen versuchen, Gespräche mit Politikern aufzunehmen. "Bis jetzt haben wir alles unter Kontrolle", sagt er. Sollte gegen Öcalan aber das Todesurteil vollstreckt werden, "können wir für nichts mehr garantieren."