Der Standard (Wien), 28.6. 

Richter Turgut Okyay leitet den Prozeß gegen Öcalan 
"Die Gipfel der Liebe" für die Türkei 

Astrid Frefel
Die Emotionen werden hochgehen bei der Urteilsverkündung gegen Abdullah Öcalan am Dienstag. Für das Bild eines ordentlichen und relativ ruhigen Prozesses gegen den PKK-Chef war vor allem Turgut Okyay, der vorsitzende Richter, verantwortlich. Der Zufall will es, daß er fast aus der gleichen Gegend stammt wie der Angeklagte. Okyay wurde 1941 in Tut, einer Kleinstadt in der Provinz Adiyaman, geboren, die nicht weit weg von "Apos" Geburtsort Ömerli liegt. Der Jurist war der erste Universitätsabsolvent aus Tut.

Von Richter Okyay gibt es aber nicht nur Urteilssprüche zu lesen, der Vater von vier Kindern hat auch einen Gedichtband unter dem Titel "Die Gipfel der Liebe" verfaßt. Darin ist viel die Rede von Liebe, Gefühlen und Mitgefühl. Er widmete das Buch seiner Familie mit der Aufforderung, sie solle die Reformen Atatürks und die Demokratie schützen und sich für den Frieden einsetzen.

Die meiste Zeit seiner Laufbahn hat Okyay im Osten der Türkei zugebracht. Er war Richter in Osmaniye und Gaziantep, bevor er 1994 zum Präsidenten des Staatssicherheitsgerichtes (DGM) Nummer 2 in Ankara ernannt wurde. In dieser Eigenschaft führt er jetzt den Öcalan-Prozeß. Zu seinen Akten gehört auch das Schließungsverfahren gegen die pro-kurdische Hadep-Partei, das seit über zwei Jahren läuft und mit der Verhaftung Öcalans noch an Brisanz gewonnen hat.

Im "Jahrhundert-Prozeß" hatte Okyay ein erstes Machtwort gesprochen, als die Öcalan-Anwälte aus ihrem Hotel geworfen wurden und in der ganzen Region keine Unterkunft fanden. Als die lokalen Politiker nichts unternehmen wollten, wies er den Rechtsberatern des Angeklagten das Gästehaus einer staatlichen Firma zu. In den Verhandlungen versucht er, beide Parteien frei sprechen zu lassen, dabei lassen die Emotionen auch ihn nicht unberührt. Als die Krankenschwester Yildiz Namdar schluchzend erzählte, wie sie ihren Mann, einen Unteroffizier, verloren hat, konnte auch der Gerichtsvorsitzende seine Tränen nicht zurückhalten.

Er scheute sich dennoch nicht, auch die Anwälte der Opfer-Familien in die Schranken zu weisen. Einen von ihnen beorderte er sogar aus dem Saal, als er die Gegenseite ungebührlich angriff.

Öcalans Anwälte stimmen dennoch nicht in die Lobeshymnen über den Richter ein. Sie verweisen darauf, daß die scheinbare Ausgewogenheit nichts mit Objektivität zu tun hat. Tatsächlich wurden die meisten ihrer Anträge abgelehnt. Der Gerichtspräsident hat von Anfang an eine klare Linie verfolgt und nicht zugelassen, daß Zeugen gerufen werden, die den Sinneswandel der PKK in den letzten Jahren und ihre Bemühungen um eine friedliche Lösung des Kurden-Problemes untermauern könnten.