Rheinische Post, 27.6.99

Ecevit ordnet Kontrollen in Gefängnissen an 
Reaktion auf Kritik von Menschenrechtlern / Militär tötet 11 Kurden

Ankara (AP). Der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit hat am Samstag für alle Haftanstalten des Landes unangemeldete Kontrollen angeordnet. Damit sollten Vorwürfe besonders von Menschenrechtsgruppen entkräftet werden, wonach in den Gefängnissen gefoltert werde und die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen würden, erklärte Ecevit laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Anatolia. Die Türkei hat derartige Anschuldigungen immer zurückgewiesen.

Ecevit forderte die Gouverneure, die örtlichen Behörden und die Staatsanwaltschaften in seinem Dekret auf, die Rechte Inhaftierter zu achten, das heißt, deren Familien zu informieren und über den Aufenthaltsort und den Gesundheitszustand der Gefangenen zu berichten.

Die türkische Menschenrechtsvereinigung wählte unterdessen einen Vorsitzenden anstelle des zu einer zehnmonatigen Gefängnisstrafe verurteilten Akin Birdal. Er hatte sich für größere Rechte für die Kurden ausgesprochen und war deshalb wegen "Aufstachelung zum Rassenhaß" zu der Haftstrafe verurteilt worden. Neuer Vorsitzender der Vereinigung ist der 46jährige Rechtsanwalt Husnu Öndul, einer der Mitgründer der Gruppe.

Türkische Truppen haben nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Anatolia bei Offensiven im Südosten des Landes elf kurdische Separatisten getötet. Den Kämpfen in den Provinzen Hakkari, Diyarbakir und Sirnak fielen den Angaben vom Samstag zufolge auch zwei Soldaten zum Opfer. Wann die Gefechte stattfanden, wurde nicht mitgeteilt. Die Zusammenstöße zwischen den Untergrundkämpfern und der türkischen Armee haben seit Prozeßbeginn gegen den Chef der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan, am 31. Mai an Heftigkeit zugenommen.

Für den Fall seiner Hinrichtung haben die Separatisten eine Ausweitung ihres Kampfes angedroht. Mit einem Urteil im Fall Öcalan wird am Dienstag gerechnet. Dem Kampf der militanten Kurden gegen den türkischen Staat sind seit 1984 etwa 37.000 Menschen zum Opfer gefallen.

Türkei und Griechenland wollen über Terrorbekämpfung sprechen

Die Türkei und Griechenland wollen über die Möglichkeiten der gemeinsamen Bekämpfung des Terrorismus sprechen, wie das türkische Außenministerium am Samstag mitteilte. Der griechische Außenminister Georgios Papandreou habe positiv auf einen entsprechenden Brief seines türkischen Kollegen Ismail Cem reagiert, hieß es in Ankara. Griechenland habe vorgeschlagen, die Zusammenarbeit auch auf Handel, Tourismus, Umwelt, Kultur und die Bekämpfung des organisierten Verbrechens auszudehnen. Cem habe das Angebot angenommen, Papandreou in der kommenden Woche in New York zu treffen, erklärte das türkische Außenministerium. Der Briefwechsel war das erste Zeichen einer Entspannung in den Beziehungen beider Länder, die seit der Entführung und Verschleppung von PKK-Führer Abdullah Öcalan in die Türkei im Februar noch stärker belastet sind. Die Türkei wirft Griechenland vor, die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu unterstützen. Die Regierung in Athen bestreitet dies.