Rheinpfalz, 26.6.99

Für Meinungsfreiheit in Türkei gekämpft

KARLSRUHE: Sanar Yurdatapan im "Tollhaus" Im Januar 1996 wurden im Südosten der Türkei elf Menschen, darunter sechs Häftlinge, in einem Kleinbus ermordet. Ein Anschlag der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, darüber waren sich die offiziellen Stellen schnell einig. Sanar Yurdatapan, türkischer Musiker und Menschenrechtler, forschte nach und stieß auf Ungereimtheiten, wie er jetzt in Karlsruhe im "Tollhaus" berichtete. Während die Leichen bis zu Unkenntlichkeit verbrannt waren, konnte der einzige Überlebende des Anschlags, ein Gendameriefeldwebel, die unbeschädigten Personalausweise der Opfer vorlegen. Sowohl jene der Häftlinge, wie auch die der Bewacher sowie des Fahrers. Zeugenaussagen deuten schließlich darauf hin, daß staatliche Sicherheitskräfte für den Anschlag verantwortlich waren. Ermittlungen bleiben jedoch aus, statt dessen werden Yurdatapan und zwei seiner Mitstreiter angeklagt und in erster Instanz wegen "Beleidigung der Sicherheitskräfte" zu elf Monaten Haft verurteilt. Sanar Yurdatapan warb jetzt um Unterstützung. Er kämpfe "gegen die Straffreiheit von Menschenrechtsverletzern". Eine etwas komplizierte Bezeichnung für eine Kampagne, doch Yurdatapan hat aus den Erfahrungen mit den Sicherheitskräften gelernt. Für ein Buch, in dem er zensierte Texte von Journalisten und Schriftstellern veröffentlichte, fand er insgesamt 1080 Mitherausgeber. Wohl wissen, daß der Staat nicht alle ins Gefängnis werfen konnte. Der 58jährige Vater von vier Kindern mußte bisher "erst" zweimal für insgesamt vier Monate ins Gefängnis. "Nicht so lange", wie er mit einem Lächeln sagt. Stets ging es dabei um Veröffentlichungen, stets darum, "Freiheit für die Meinungsfreiheit" zu erkämpfen. Yurdatapan selbst ist Türke und vermittelt keineswegs den Eindruck eines gebrochenen, verbitterten politischen Kämpfers. Fast schon humorvoll berichtet er über "Fehler", die sich der Staat in seinem Heimatland geleistet hat. Da raste ein Mercedes in einen Lastwagen, drei Menschen sterben sofort, ein vierter überlebt schwerverletzt. Was wie ein normaler Verkehrsunfall aussieht, wird zum Skandal, denn in der gepanzerten Limousine saßen ein von Interpol gesuchter Mafiosi, ein hoher Polizeioffizier sowie ein Parlamentsabgeordneter der Regierungspartei des "Rechten Weges". Außerdem im Wagen: Waffen und gefälschte Ausweise. Ein Beispiel, das die Verwicklungen von Politapparat, Drogenmafia und Schwerverbrechern aufzeigen s0ll. Hintergrund scheint zu sein, daß staatliche Stellen den Verbrecherorganisationen Spielraum gewähren und diese im Gegenzug unliebsame Regimekritiker und immer wieder Kurden "aus dem Weg räumen." "Ich würde gerne sagen, daß die PKK kein Recht hat, Waffen zu nehmen und in die Berge zu gehen. Leider aber scheinen die Kurden keine andere Chance zu haben. Was soll denn ein Volk tun, wenn sogar dessen Existenz verneint wird?" Yurdatapan hofft auf Hilfe in Deutschland, wo er zwölf Jahre lang im Asyl lebte. Die Türkei will in die Europäische Union, die Einhaltung der Menschenrechte sollte dabei als Grundvoraussetzung gefordert werden. Das sollte jeder Bürger von den Regierenden einfordern. 

Von unserem Mitarbeiter: Winfried Heck