taz Hamburg. 15.6.1999

Ärztliche Beihilfe verweigern
Medizinische Assistenz bei Abschiebungen sorgt für heftigen Konflikt zwischen Ausländerbehörde und Ärztekammer

Von Elke Spanner

Zwischen der Ausländerbehörde und der Hamburger Ärztekammer bahnt sich ein Konflikt über die Rolle von MedizinerInnen bei Abschiebungen an. Der Deutsche Ärztetag in Cottbus hatte es vor wenigen Tagen als berufsethisch unvertretbar verurteilt, daß MedizinerInnen zur Abschiebung kranker Flüchtlinge herangezogen werden. Ihnen drohen damit Konsequenzen seitens ihrer Standesorganisation.

Gestern abend wollte UKE-Professor Winfried Kahlke, der den Antrag in Cottbus eingereicht hatte, die Abschiebung der schwerkranken Kurdin Nikar Selcuk in der vorigen Woche (taz berichtete) auf der Sitzung des Vorstandes der Hamburger Ärztekammer zur Sprache bringen. Parallel kündigte deren Präsident Frank Ulrich Montgomery an, das Gespräch mit der Ausländerbehörde zu suchen.

Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde, beeindruckt die Ablehnung der Ärztekammer nicht: "Das hat für uns keinen verbindlichen Charakter." Auch die übergeordnete Innenbehörde vermag die Aufregung nicht zu verstehen. In der Antwort auf eine kleine Senatsanfrage der Regenbogen-Abgeordneten Susanne Uhl befand sie gestern: "Eine veränderte Verfahrenspraxis ergibt sich nicht." Smekal kann nicht erkennen, warum Abschiebehilfe für MedizinerInnen standeswidrig sein soll. Abschiebungen seien rechtsstaatlich korrekt, die Frage, wer kranke Flüchtlinge begleitet, sei rein organisatorischer Natur. "Warum soll es standeswidrig sein, wenn ein Arzt während des Fluges die Gesundheitsversorgung sicherstellt?"

Die Ausländerbehörde hat die ÄrztInnen, welche die Abschiebeflüge begleiten, über das Arbeitsamt angeworben. Ob sie diese über die entgegenstehende Resolution ihres Berufsverbandes unterrichtet hat, vermochte Smekal nicht zu sagen: "Es kann sein, daß sie den Ärzten inzwischen bekannt geworden ist." Vorige Woche indes, als die Kurdin Nikar Selcuk außer Landes gebracht wurde, sei es "zeitlich nicht möglich gewesen", den begleitenden Arzt zu unterrichten.

Der Deutsche Ärztetag legt durch seine Entschließungen die Handlungsmaxime für alle MedizinerInnen fest. Die einzelnen Landeskammern sind aufgefordert, diese in ihren jeweiligen Berufsordnungen umzusetzen. In Paragraph 1 der "Berufsordnung der Hamburger Ärzte und Ärztinnen" heißt es, "Aufgabe des Arztes ist es, das Leben zu erhalten, die Gesundheit wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern".

Sollte der Vorstand der Hamburger Ärztekammer die Abschiebehilfe darunter fassen und diese Einschätzung im Ärzteblatt amtlich veröffentlichen, können MedizinerInnen, die Flüchtlinge bei der Abschiebung begleiten, standesrechtlich abgemahnt oder gar vors Berufsgericht gestellt werden.