Rhein-Neckar-Zeitung 4.6.1999

Menschenrechtler Akin Birdal trat Haftstrafe an

Istanbul/Bonn (dpa) - Der türkische Menschenrechtler Akin Birdal hat am Donnerstag in Ankara eine einjährige Haftstrafe angetreten. Der Vorsitzende des Menschenrechtsvereins (IHD) war im vergangenen Jahr wegen separatistischer Äußerungen zum Weltfriedenstag am 1. September 1996 und zur Weltfriedenswoche im September 1995 verurteilt worden. Vor einem Jahr war Birdal bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt worden.

Bevor Birdal in das Gefängnis ging, hatte er den Behörden noch ein medizinisches Gutachten aus Istanbul vorgelegt und um eine Verschiebung des Haftantritts gebeten. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt. Birdal leidet nach wie vor unter den Folgen des Attentats. Es besteht die Gefahr, daß er im Gefängnis wegen unzureichender ärztlicher Behandlung die Kontrolle über seinen rechten Arm verliert, sagte Nazmi Gur vom türkischen Menschenrechtsverein.

«Sie wollen, daß wir die drei Affen spielen», (die nichts hören, sehen und sagen), sagte Birdal bevor er seine Haftstrafe antrat. Der Vizepräsident der Internationalen Menschenrechtsvereinigung, Michael Ellmann, betonte, daß die Türkei eine Reihe von internationalen Vereinbarungen, die sie unterzeichnet habe, nicht einhalte.

Die Unionsparteien, die FDP und die PDS forderten die türkischen Behörden auf, den Träger des Menschenrechtspreises 1998 der deutschen Sektion von Amnesty International (AI) nicht zu inhaftieren. Die FDP- Menschenrechtsexpertin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte, wegen der Verletzungen Birdals zumindest den Beginn der Haftverfügung hinauszuschieben. FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle sagte, die Türkei habe keine europäische Perspektive, wenn sie nicht die Menschenrechte und die europäischen Standards achte.

1995 hatte Birdal bei einer Rede gesagt: «Es tobt seit elf Jahren ein unfairer und schmutziger Krieg. Der Grund dafür ist, daß die Rechte der Kurden nicht anerkannt werden. Dörfer in der Region wurden niedergebrannt.» Das Urteil hatte - wie nun auch beim Prozeß gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan - ein Staatssicherheitsgericht gefällt, das aus zwei zivilen und einem Militärrichter besteht.