wallstreet:online 31.05.99

 Verfahren um Schüsse in Konsulat vor dem Ende Berlin

(Reuters) - Die Berliner Justiz will die Ermittlungen um die Todesschüsse israelischer Sicherheitskräfte auf vier Kurden trotz Zweifeln an der Notwehr-Version der Schützen einstellen. Die diplomatische Immunität der beiden israelischen Wachleute verhindere weitere Vernehmungen, sagte eine Sprecherin von Justizsenator Erhart Körting (SPD) am Montag zur Begründung. Die Entscheidung wurde von den Grünen und der PDS kritisiert. Sie forderten, das Angebot des israelischen Botschafters Avi Primor zu einer erneuten Anhörung der Beamten anzunehmen. In Berlin und in anderen Städten waren Demonstrationen von Kurden gegen den am Montag in der Türkei eröffneten Prozeß gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan angekündigt. Die Schüsse waren am 17. Februar gefallen, als Kurden aus Protest gegen die angebliche Beteiligung Israels an der Verschleppung Öcalans in die Türkei die israelische Mission in Berlin gestürmt hatten. Die israelischen Sicherheitsbeamten gaben an, in Notwehr geschossen zu haben. Daran waren schon bald nach dem Zwischenfall Zweifel laut geworden. Körtings Sprecherin Svenja Schröder-Lomb erklärte nach den über dreimonatigen Ermittlungen, die Äußerungen der Israelis seien in weiten Teilen weder zu bestätigen noch zu widerlegen. Allerdings gebe es Zweifel an der Notwehr-Version eines der zwei Schützen. Eine erneute Befragung der kurz nach der Tat in ihre Heimat zurückgekehrten Sicherheitsbeamten wäre nur möglich, wenn Israel auf deren diplomatischen Schutz verzichte, sagte Schröder-Lomb. Das erscheine der Staatsanwaltschaft aber realitätsfremd. Es sei bei Ermittlungen gegen Diplomaten unüblich, deren Heimatstaat um Aufhebung der Immunität zu bitten. Primors Angebot stelle keinen völkerrechtlichen Verzicht dar. Er sei über die Entscheidung nicht erfreut, sagte der Grünen-Politiker Wolfgang Wieland, der den Untersuchungsausschuß des Abgeordnetenhauses zur Aufklärung der Schießerei leitet. Die Justiz solle das Angebot des israelischen Botschafters annehmen und die Wachleute erneut vernehmen. "Wenn der betroffene Staat sagt, `wir sind bereit dazu`, dann sollte man auch das Unübliche tun", sagte Wieland. In Berlin wurden nach Angaben der Innenbehörde wegen des Öcalan-Prozesses die Sicherheitsvorkehrungen vor israelischen und jüdischen Einrichtungen weiter verstärkt. Zur Kurden- Demonstration in der Hauptstadt wurden 5000 Menschen erwartet. Auch in Hamburg, München und anderen Städten waren Proteste geplant. Die Behörden rechneten zwar nicht mit Ausschreitungen, wollten aber mit starken Kräften präsent sein. Dem unter anderem wegen Hochverrats angeklagten Öcalan droht die Todesstrafe. tin/sob