Berliner Zeitung 1.6.99

Schutz für jüdische Einrichtungen verstärkt
Polizei wegen Öcalan-Prozeß in erhöhter Alarmbereitschaft / Kurden demonstrierten friedlich

Von Marlies Emmerich und Kay Sadrinna
Die Polizei ist wegen des am Montag in der Türkei begonnenen Prozesses gegen PKK-Führer Abdullah Öcalan in erhöhter Alarmbereitschaft. So sind nach Angaben eines Polizeisprechers die scharfen Sicherheitsvorkehrungen für israelische und jüdische Einrichtungen weiter verstärkt worden. Dies sei bereits am Wochenende geschehen, so Innen-Staatssekretär Kuno Böse (CDU). Speziell geschützt würden auch Einrichtungen jener Länder, "von denen behauptet wird, sie seien an der Entführung Öcalans aus Kenia beteiligt gewesen". Dies betrifft auch die griechische Vertretung am Wittenbergplatz und das israelische Generalkonsulat. Israelisches Wachpersonal hatte im Februar vier Kurden erschossen, die nach Öcalans Entführung das Generalkonsulat gestürmt hatten.

Böse hat zugleich am Montag die in Berlin lebenden Kurden vor möglichen Krawallen gewarnt. Falls sich Kurden gegen das Rechtssystem stellten, würden sie – sofern sie nicht asylberechtigt seien – abgeschoben. Allerdings gebe es, so Böse, keine Erkenntnisse über unfriedliche Aktionen.

Am Montag abend haben rund 2 000 Kurden unter dem Motto "Freiheit für Öcalan – Frieden in Kurdistan" demonstriert. Bei der Protestaktion, die vom Breitscheidplatz über die Kleiststraße und den Großen Stern zur Haftanstalt Moabit führte, kam es nach Polizeiangaben nicht zu Zwischenfällen. Die Situation sei aber durchaus angespannt gewesen, so der kurdenstämmige Grünen-Politiker Riza Baran. Baran und PDS-Abgeordneter Giyasettin Sayan hatten die Demonstration angemeldet. Beide Politiker streben ein größeres Treffen von Vertretern der Kurdischen Gemeinde mit Israels Generalkonsulin Miryam Shomrat an. "Das haben wir uns bis zu meinem Weggang aus Berlin Ende Juli vorgenommen", bestätigt die Generalkonsulin.

Im Kurdischen Kulturzentrum am Mehringdamm ist die Stimmung unter den Anwesenden in diesen Tagen eher gedrückt. "Die Türkei ist keine Demokratie. Der Prozeß gegen Öcalan kann deshalb kein demokratischer Prozeß sein", sagt ein älterer Mann. Für ihn steht bereits fest, daß den PKK-Führer die Todesstrafe erwartet. Aber auch dann würde die kurdische Bewegung weitermachen. Man lasse sich nicht erpressen. Andere Kurden wollen sich gegenüber der deutschen Presse gar nicht äußern. (mit AFP und Reuter)