taz Hamburg, 16.6.1999

Deutliche Bedenken
SPD-Fraktion kritisiert Innensenator wegen Abschiebepolitik, aber nur intern

"Die Fraktion stützt die Linie von Innensenator Hartmuth Wrocklage nicht", hatte der SPD-Abgeordnete Rolf Polle kürzlich zur Abschiebung kranker AusländerInnen angedeutet. Gestern nun hat die SPD-Fraktionsspitze dem Innensenator ihre "Bedenken deutlich vorgetragen", so deren Sprecher Armin Huttenlocher vorsichtig. Daß die Fraktion auf Wrocklage eingewirkt habe, Abschiebungen wie der kranken Kurdin Nikar Selcuk vorige Woche künftig zu unterlassen, wollte er nicht bestätigen. Doch sollen nun "sehr rasch" weitere Klärungsgespräche stattfinden - auch mit dem Koalitionspartner GAL.

Bei Nikar Selcuk war die Ausländerbehörde in zwei Schritten vorgegangen: Erst hatte sie unmittelbar vor dem Start der Maschine eine Amtsärztin zum Flughafen geschickt, die Selcuk für reisefähig erklärte. Dann hatte sie einen Arzt mit nach Istanbul geschickt, der während des Fluges aufpassen sollte, daß die Kurdin sich nichts antue.

Der Vorstand der Hamburger Ärztekammer hat am Montag abend deshalb beschlossen zu prüfen, ob die MedizinerInnen dadurch gegen ihre Berufsordnung verstoßen haben. Die Kammer will, so deren Sprecher Wolfram Scharenberg, nun die Arbeit der MedizinerInnen genau beleuchten - etwa, wie ihr Aufgabenfeld beschrieben ist, inwieweit sie die Krankenakten der PatientInnen kennen und welche Medikamente verabreicht werden. Der Bundesverband, der Deutsche Ärztetag, hat das Mitwirken von MedizinerInnen bei Abschiebungen bereits in einer Resolution verurteilt.

Die Regenbogen-Abgeordnete Susanne Uhl geht davon aus, daß die Ausländerbehörde ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeberin verletzt, wenn sie ÄrztInnen mit einer Aufgabe betreut, die gegen deren Berufsethik verstößt.

Elke Spanner

Aktion gegen die Abschiebepraxis morgen um 8 Uhr vor der Ausländerbehörde, Amsinckstr. 28