junge Welt 31.05.1999

Auf Imrali beginnt die »Farce« gegen Abdullah Öcalan
Anwälte des PKK-Chefs sprechen von kontinuierlicher Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeit

Am heutigen Montag soll in der Türkei der Prozeß gegen den Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, beginnen. Schon jetzt ist abzusehen, daß die Verhandlung unter Mißachtung aller nur denkbaren rechtsstaatliche Garantien für die Verteidigung stattfindet. Die Anwälte Öcalans mußten nach dessen Verschleppung aus Kenia im Februar zahlreiche Behinderungen bei ihrer Arbeit erleiden, so daß einer seiner Hauptverteidiger, Ahmet Zeki Okcuoglu, dem Prozeß nicht beiwohnen will: »Ich weigere mich, an dieser Farce teilzunehmen«, so der Anwalt. Okcuoglu verweist auf die kontinuierliche Verletzung der elementarsten Rechte des PKK-Chefs und seiner Verteidiger, auf die Gewaltandrohungen und die stetige Anwesenheit von Wachen bei den Gesprächen.

Öcalans italienische Anwälte, Luigi Saraceni und Giuliano Pisapia, haben wiederholt gefordert, daß ihr Recht auf ein Zusammentreffen mit ihrem Mandanten anerkannt werde. Bislang ohne Erfolg. »Ich kann nicht behaupten, daß die italienische Regierung sich Arme und Beine ausgerissen hätte, um sich zu Wort zu melden«, klagt Saraceni, der einen formellen Antrag an Ministerpräsident Massimo D'Alema gerichtet hat, in der Angelegenheit persönlich einzuschreiten.

Doch damit nicht genug. Die türkischen Behörden haben verfügt, daß italienische Journalisten von dem Prozeß ausgeschlossen werden. Nach Berichten der italienischen Tageszeitung Il Manifesto werden täglich nur 20 Journalisten - zwölf türkische und acht ausländische - in den Gerichtssaal auf der Gefängnisinsel Imrali gelassen; Italiener müssen draußenbleiben. Offensichtlich wird bei dieser Sanktionsmaßnahme, daß Ankara der Regierung in Rom immer noch nicht verziehen hat, Abdullah Öcalan im vergangenen Jahr aufgenommen und Schutz gewährt zu haben. Paolo Serventi, Sekretär des italienischen Presseverbands, gab seinem »Erstaunen« und seiner »Beunruhigung« über den Ausschluß italienischer Journalisten Ausdruck, »die gegen die Informationsfreiheit geht und wie Vergeltung gegen unser Land klingt«.

Die Entscheidung der Türkei, die italienische Presse in Imrali außen vor zu lassen, hat neben den klaren politischen Motiven einer Vergeltungssanktion noch einen anderen Anlaß, der Ankara dazu dient, von den eigentlichen politischen Gründen abzulenken. Vor einiger Zeit war die Korrespondentin der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, die in Rom mit einem italienischen Journalisten verheiratet ist, in die Heimat zurückbeordert worden. Dagegen ging die Vereinigung der Auslandspresse in Rom auf die Barrikaden. Als die türkische Botschaft dann ihren Nachfolger präsentierte und für ihn um die Akkreditierung bei der Auslandspresse ersuchte, hat diese nach den Gründen für die Auswechselung nachgefragt. Türkische Botschaft und neuer Anadolu-Korrespondent schrien »Skandal« und kündigten Konsequenzen für den Ankara-Korrespondenten der italienischen Nachrichtenagentur Ansa an.

Doch selbst in der türkischen Presse wurde die Entscheidung, italienische Journalisten von dem Prozeß gegen Abdullah Öcalan auszuschließen, teilweise als unglücklich kritisiert. In einem Interview mit Corriere della Sera wandte sich der Direktor der türkischen Tageszeitung Sabah, Sedat Sertoglu, gegen diese Maßnahme: »Das ist eine falsche Entscheidung. Ich hätte sie nicht getroffen. Man kann nicht ... die ganze italienische Presse benachteiligen.« Doch der Sabah-Chef hat eine fast amtliche Erklärung für den Ausschluß: »Die Schritte der italienischen Regierung während Öcalans Aufenthalt in Rom waren nicht willkommen.«
Cyrus Salimi-Asl, Neapel