junge Welt 29.05.1999

Internationale Wochen gegen das Verschwindenlassen Solidarität mit Samstagsmüttern: Protestaktion vor türkischem Konsulat in Berlin

Anläßlich der Internationalen Wochen gegen das Verschwindenlassen vom 17. bis 31. Mai demonstrierten am Freitag das »Samstagsmütter-Solidaritätskomitee« und andere kurdische und türkische Gruppen vor dem türkischen Konsulat in Berlin. Das »Verschwindenlassen« Oppositioneller im Polizeigewahrsam gehört weltweit zu der Praxis von Diktaturen. Menschenrechtsorganisationen schätzen, daß allein in der Türkei seit dem Militärputsch von 1980 bis heute mehr als 3 000 Menschen verschwanden.

In Istanbul gründete sich 1995 deshalb das International Comitee Against Disappearences (ICAD). Ziel war es, ein weltweites Netz von Gruppen aufzubauen, die gegen das »Verschwindenlassen« arbeiten. Ursachen sollten analysiert und die politischen und wirtschaftlichen Interessen, die hinter diesem staatlichen Terror stecken, öffentlich gemacht werden. Bereits 1996 konnte ICAD zum ersten internationalen Symposium nach Istanbul einladen. Weitere Kongresse fanden im Juli 1997 in Bogota und im Mai dieses Jahres in Manila statt.

In Manila fehlte die Vertreterin aus der Türkei. Die Istanbuler Samstagsmütter sollten von Emine Ocak, Mutter des am 21.3.95 in der Türkei verschwundenen Hasan Ocak, vertreten werden. Die Regierung in Ankara verweigerte Frau Ocak jedoch die Ausreisegenehmigung.

Seit Februar hat sich die politische Situation in Kurdistan und der Türkei erheblich verschärft. Und nach den Wahlen am 18. April, nach deren Ergebnis die faschistische MHP vermutlich an der nächsten Regierung beteiligt sein wird, ist mit weiteren Repressionen zu rechnen. Darauf wollten die Berliner mit ihrer gestrigen Aktion aufmerksam machen.

Für den heutigen Samstag lädt das Berliner Solidaritätskomitee der Samstagsmütter um 12 Uhr zu einer Kundgebung vor dem Rathaus Neukölln ein.

Birgit Gärtner