Süddeutsche Zeitung 27.05.99

Wegen Streits um Militärrichter
Ecevit erwägt Aufschub des Öcalan-Prozesses

Ankara (AFP/dpa) – Der türkische Regierungschef Bülent Ecevit hat eine Verschiebung des Prozesses gegen den inhaftierten Chef der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan, in Aussicht gestellt. Ecevit sagte der türkischen Zeitung Milliyet, er strebe vor dem Prozeß eine Verfassungsänderung an, damit dem Staatssicherheitsgericht künftig kein Militärrichter mehr angehöre. Die im Parlament vertretenen Parteien hätten ihre Unterstützung bereits zugesagt.  Das Staatssicherheitsgericht ist umstritten, weil ihm neben zwei zivilen Richtern ein Militärrichter angehört. So hatte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof im vergangenen Jahr erklärt, das Gericht könne wegen des beteiligten Militärrichters nicht als unabhängig gelten.  Unterdessen haben Richter und Staatsanwaltschaft dem PKK-Chef einen fairen Prozeß zugesichert.  Richter Turgut Okyay, einer der Vorsitzenden des Staatssicherheitsgerichts, erklärte, Öcalan werde alle im Rahmen des Gesetzes vorgesehenen Rechte erhalten. Öcalans Anwälte sind hingegen nach eigenen Angaben von türkischen Behörden bei den Vorbereitungen auf den Prozeß behindert worden.  „Wir konnten nicht ohne Aufsicht mit Öcalan sprechen“, sagte der Anwalt Ahmet Zeki Okcuoglu. Beamte, die teilweise maskiert waren, seien bei allen Gesprächen mit anwesend. „Unter diesen Umständen ist eine ordentliche Verteidigung Öcalans nicht möglich.“ Der bisherigen Planung zufolge soll der Prozeß am kommenden Montag beginnen. Dem Kurdenführer droht wegen Hochverrats die Todesstrafe.