Berliner Morgenpost 27.5.99

Untersuchungsausschuß zu Kurdensturm vor dem Aus?
CDU klagt wegen Reihenfolge der Fragen an Zeugen

Im Streit um die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu den Vorgängen am israelischen Generalkonsulat hat die CDU jetzt den Verfassungsgerichtshof eingeschaltet. Er soll klären, in welcher Weise die Fragenkomplexe des Untersuchungsauftrags abzuarbeiten sind. Dazu könnte die Arbeit des Ausschusses noch vor seiner nächsten Sitzung am Freitag gestoppt werden, sagte ein Gerichtssprecher.  Der Ausschußvorsitzende Wolfgang Wieland (Grüne) kritisierte den «offensichtlichen Verzögerungsversuch, der den Ausschuß lahmlegen könnte».
Der Ausschuß hatte beschlossen, die Zeugen zu allen Punkten des ersten Fragekomplexes zu vernehmen.  Der wissenschaftliche Parlamentsdienst hält diese Praxis für zulässig. Die CDU dagegen will, daß erst eine Frage komplett abgearbeitet wird, bevor jemand zur nächsten vernommen wird. «Dann müßten wir fünf Jahre tagen», klagt Wieland.
Am 2. Juni will das Verfassungsgericht die Sach- und Rechtslage nichtöffentlich erörtern. Zuvor könnte aber bereits über die Fortsetzung der Ausschußarbeit entschieden werden, sobald die CDU eine entsprechende Stellungnahme abgab, hieß es bei Gericht. Sie soll laut Andreas Gram bis Donnerstag nachmittag eingehen.
Der Ausschußvorsitzende läßt unterdessen den Parlamentsdienst prüfen, ob die umstrittene Aufzeichnung des Telefonats zwischen Polizeipräsident Hagen Saberschinsky und Innenstaatssekretär Kuno Böse überhaupt Gegenstand der Befragungen im Ausschuß sein darf. Damit sie rechtlich verwertbar ist, müßte Saberschinsky der Aufzeichnung zugestimmt haben oder seine Zustimmung wirksam ersetzt worden sein.
Die Innenverwaltung wies die Vermutung zurück, die Veröffentlichung des Telefonats sei Ausdruck von Führungszwist innerhalb der Behörde. Saberschinsky wird darin mit den flapsigen Worten zitiert «Ja, ja, ja, ist gut, okay. Wir schützen die ganze Welt.» Böse hatte ihm den Beistand des Bundesgrenzschutzes angeboten. Tags darauf starben die vier Kurden.
Wie aus Parlamentskreisen verlautete, sei das Zitat jedenfalls mit Wissen der Behördenspitze in den Ausschuß gelangt. Man habe bei Inneres tagelang gebrütet, was man dem Ausschuß gebe und das Material mit zwei Tagen Verspätung eingereicht. Da sei es unwahrscheinlich, daß die brisante Stelle übersehen wurde.
Eine Sprecherin der Innenverwaltung bezeichnete indes eine Darstellung der Ausländerbehörde als falsch, wonach kurdische Terroristen bereits am späten Abend des 16. Februar den Sturm auf das israelische Generalkonsulat beschlossen hätten. Die Ausländerbehörde, die der Innenverwaltung unterstellt ist, habe behördenintern den Fehler bereits eingeräumt. Der Brief, der diese Darstellung enthielt, ging an 28 Kurden, die abgeschoben werden sollten.
Den Entschluß, das Generalkonsulat Israels zu überfallen, hätten die Kurden erst am Vormittag des 17. Februar gefaßt, sagte die Sprecherin. vef/eck/MP