Süddeutsche Zeitung 25.05.99

Organisationen und Parteien treffen sich in Amsterdam
„Kurdischer Nationalkongreß“ gegründet
Iranische und irakische Gruppierungen nicht beteiligt / Keine Reaktion aus der Türkei

sw Amsterdam (Eigener Bericht) – Mit einer Gedenkminute, in der an alle kurdischen Märtyrer erinnert wurde, ist am Pfingstmontag in Amsterdam der „Kurdische Nationalkongreß“ (KNC) gegründet worden. An der Gründungsfeier, die von starken Sicherheitsmaßnahmen begleitet in der früheren Geheimkirche „Rode Hoed“ (Roter Hut) stattfand, nahmen mehrere hundert Kurden von mehr als 170 kurdischen Organisationen und Parteien teil. Am heutigen Dienstag sollen bei dem Treffen erstmals 60 KNC-Abgeordnete gewählt werden.
Die KNC-Mitglieder sollen ein Spiegelbild aller religiösen und politischen Strömungen innerhalb der kurdischen Gemeinschaft darstellen. Ziel des KNC sei es, so Agit Helbes vom Kurdischen Informationszentrum, die nationale Einheit der in Kurdistan und in der Diaspora lebenden etwa 40 Millionen Kurden zu fördern sowie eine politische und friedliche Lösung auf einer demokratischen Grundlage für das Kurden-Problem zu finden.  Wichtige kurdische politische Parteien wie die iranische und irakische Kurdische Demokratische Partei (KDP), die Kurdische Sozialistische Partei (TSK) und die irakische Kurdische Nationale Partei (PUK) von Jalal Talabani beteiligten sich an der Gründung nicht.
Nach Angaben des Gründungskomitees erhält der KNC eine breitere Grundlage als das exilkurdische Parlament (PKDW), das „ausschließlich das von der Türkei besetzte nördliche Gebiet von Kurdistan“ vertritt. Mit dem Nationalen Congreß gebe es zum ersten Mal eine Plattform, in der alle Kurden vereinigt seien. Trotz des massiven Protestes der USA und der Türkei wurde 1995 auf Initiative der türkisch-kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in Den Haag das Kurdische Parlament gegründet. Als die niederländische Regierung nicht auf die Protestnote der Türkei reagierte, diese Gründung zu verhindern, war es zu einer „diplomatischen Verstimmung“ gekommen, in deren Verlauf Ankara seinen Botschafter für einige Wochen aus Den Haag abberufen hatte.
Bisher hat die Türkei noch nicht auf die Gründung des KNC reagiert. „Wir warten auf Anweisungen aus Ankara“, heißt es in der türkischen Botschaft in Den Haag, „denn wir wissen von der Gründung auch erst seit Ende letzter Woche“. An der Gründung des „Nationalen Congresses“ wurde seit 1995 gearbeitet und bereits am 14. Dezember 1997 in Brüssel ein 29köpfiges Vorbereitungs-Komitee ernannt.