Berliner Zeitung 25.5.99

Polizeipräsident Hagen Saberschinsky: "Ich klebe nicht an meinem Stuhl"
Telefonprotokoll bringt Polizeichef in Bedrängnis / Strafanzeige angedroht

Von Michael Helberg
Berlins Polizeipräsident Hagen Saberschinsky hat sich erstmals zu der Mitschrift eines Telefonats geäußert, das er und Innenstaatssekretär Kuno Böse einen Tag vor der Besetzung des israelischen Generalkonsulats geführt hatten. "Ich klebe nicht an meinem Stuhl. Und wenn ich gehe, dann ohne Zorn", sagte Saberschinsky am Montag der "Berliner Zeitung". "Ich lasse mich nicht von irgendwelchen Leuten in Scheibchen zerteilen."
We berichtet war das Telefongespräch aufgezeichnet, abgeschrieben und dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß zugespielt worden. Während dieses Telefonats hatte der Staatssekretär den Polizeipräsidenten darauf hingewiesen, daß nach der Festnahme des Kurden-Führers Öcalan auch israelische Einrichtungen gefährdet seien. Laut Protokoll habe Saberschinsky geantwortet: "Ja, ja, ja, ist gut, o.k., wir schützen die ganze Welt." Durch den Mitschnitt des Telefonates sei eine gezielte diffamierende und zersetzende Kampagne gegen ihn angelaufen, kritisierte der Polizeipräsident. "Man muß diesen Satz im Kontext zu dem gesamten Gespräch sehen", sagte Saberschinsky. "Böse wollte mich über das Ergebnis einer Schaltkonferenz informieren. Die eventuellen Gefahren für israelische Einrichtungen waren mir und der Behörde längst bekannt. Herr Böse wollte sich nur noch einmal bei mir vergewissern, nach dem Motto: Die israelischen Einrichtungen werden von uns ja sowieso geschützt." Dieser Hinweis war nur noch einmal als Sensibilisierung angesichts eines abstrakten Warnhinweises gedacht, so der Polizeipräsident. "Es lag mir fern, den Staatssekretär abzubügeln", versicherte er.
Berlins Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert will Strafanzeige gegen diejenigen stellen, die das Telefongespräch zwischen dem Polizeipräsidenten und dem Innenstaatssekretär Böse mitgeschnitten und veröffentlicht haben. "Wenn die Staatsanwaltschaft nicht von sich aus ein Ermittlungsverfahren einleitet, dann werde ich am Dienstag Strafantrag stellen", sagte Piestert der "Berliner Zeitung". Es sei seine Pflicht, Strafantrag zu stellen: "Wer das nicht öffentlich gesprochene Wort veröffentlicht, macht sich strafbar."
Auch der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen), wunderte sich über das aufgetauchte Telefonprotokoll: "Wir haben das gar nicht angefordert." Was der Ausschuß eigentlich wollte, habe er nicht bekommen. "Da ist es schon seltsam, daß gerade dieses Protokoll in den Unterlagen war", so der Abgeordnete. Jetzt müsse zunächst die Frage geklärt werden, wer die Unterlagen zusammengestellt habe. Wieland: "Wenn sich der Polizeipräsident über den Stil beklagt, wie jetzt mit ihm umgegangen wird, dann hat er recht."