Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 10, Jg. 12, 19.5.1999

Waffen & Militär                
Das "Studienzentrum Türkei" (SOT) in Amsterdam hat Ende April wieder seine Zusammenstellung über Waffengeschäfte und diplomatische u.a.  Aktivitäten der türkischen Militärs veröffentlicht. Hier eine Übersetzung der wichtigsten Meldungen.

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US-Kongreß bewilligt Hubschraubergeschäft
Nach einem Bericht von "Janes Defence Weekly" (London, 7.4.99) hart der US-Kongreß den Verkauf von 4 Sea Hawk-Militärhubschraubern sowie dazugehöriger Raketen bewilligt. Bei den Raketen handelt es sich um AGM-114-"Höllenfeuer"-Raketen der US-Firma Hellfire Ltd. Die lasergelenkten Anti-Schiffsraketen haben eine kurze Reichweite, die Türkei soll insgesamt 84 dieser lasergesteuerten Raketen, das gesamte Geschäft hat für die Türkei einen Preis von 6,7 Milliarden Dollar.

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Türkische Truppen nach Albanien
Am 8. April berichteten türkische Zeitungen (u.a. Milliyet), die Türkei werde sich mit der Entsendung von 250 bis 500 Soldaten am Aufbau eines NATO-Kommandozentrums in Albanien beteiligen.

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Deutsches Militärgeschäft
Ein deutsches Konsortium, angeführt von der Abeking-Rasmussen-Lürssen-Werft, hat nach einem Bericht der französischen Nachrichtenagentur AFP (9.4.99) einen türkischen Marineauftrag erhalten. Das Konsortium soll für die türkische Marine sechs Minensucher bauen, fünf davon sollen faktisch in Lizenz auf türkischen Werften endgefertigt werden. Der Auftragswert soll sich laut AFP auf 630 Millionen Dollar belaufen.

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Türkisch-Koreanisches Atomabkommen
Am 12. April hat der türkische Ministerrat ein Abkommen zwischen der Türkei und Südkorea über "die friedliche Nutzung der Atomenergie" gebilligt. Das meldete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Das Abkommen, das bereits am 26. Oktober letzten Jahres unterzeichnet worden war, sieht den Bau von Atomkraftwerken und von Forschungsreaktoren sowie die Zusammenarbeit technischer und wissenschaftlicher Fachkräfte beider Staaten vor. Bereits vor einiger Zeit waren im Zusammenhang mit einer verstärkten türkisch-pakistanischen Militärzusammenarbeit Besorgnisse über eine mögliche Nuklearrüstung der Türkei geäußert worden. (Anadolu, 12.44.99)

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Türkei drängt in "Balkan-Kontaktgruppe"
Nach einem Bericht der französischen Nachrichtenagentur AFP hat der türkische Außenminister Ismail Cem auf einem NATO-Treffen am 12. April in Brüssel diese türkische Bitte förmlich vorgebracht. Die "Kontaktgruppe" besteht bisher aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Rußland und den USA. Die Türkei "leiste einen aktiven Beitrag" auf dem Balkan, so Ismail Cem zur Begründung der türkischen Forderung, und dürfe deshalb nicht länger außerhalb der Kontaktgruppe agieren. Die Türkei war neben Österreich-Ungarn bis Ende des letzten Jahrhunderts Kolonialmacht auf dem Balkan und will offenbar im Gefolge der NATO-Militärinterventionen auf dem Balkan an dieser alten Rolle wieder anknüpfen.
Eine Woche nach diesem türkischen Antrag berichtete die "Milliyet", ohnehin ein den Militärs sehr nahestehendes Blatt, stolz, die türkische Flagge wehe wieder in der Adria. Im Hafen von Bari habe der türkische Zerstörer Kocatepe die Aufgaben des Zerstörers Muavenet übernommen. Die türkischen Kriegsschiffe seien Teil der aus Kriegsschiffen von acht NATO-Staaten gebildeten Marineeinheit "Stanavformed", die zur "Abschreckung" in der Adria patrouilliere und von US-Admiral David Stone befehligt werde.
Am 26. April ergänze Anadolu, türkische F-16-Kampfflugzeuge, die in der Luftwaffenbasis Ghedi in Italien stationiert sind, hätten bis dahin bereits 875 Stunden Angriffsflüge gegen Jugoslawien mitgeflogen.
(AFP, 15.4.99, Milliyet, 19.4.99, Anadolu, 26.4.99)

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Polizeimesse in Ankara
Vom 24. bis 27. Juni wird in der türkischen Hauptstadt Ankara die "Internationale Messe für Polizei-Sicherheit und -Technologie Polex 99" stattfinden. Das berichtete am 22. April die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. "Viele hochrangige Beamte und Vertreter von Firmen aus 20 Ländern" würden an der Messe teilnehmen, die alle zwei Jahre stattfindet und in diesem Jahr in der Polizeihochschule von Ankara stattfindet. Der türkische Innenminister Necati Bilican: Die Messe erlaube der türkischen Polizei, "von neuen Technologien zu profitieren". (Anadolu, 22.4.99)

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Europäische Luftwaffenchefs in Ankara
Vom 26. bis 29. April hielten sich die Chefs von 17 europäischen Luftwaffen zu einem "Freundschaftsbesuch" in Ankara auf. Gastgeber war der türkische General Ilhan Kilic. Das Treffen mit Namen EURAC findet angeblich zwei Mal in jedem Jahr statt, zu den Teilnehmern gehören die Luftwaffenchefs von Griechenland, Italien, Spanien, Großbritannien, Frankreich und sieben weitere NATO-Staaten.

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NATO-Durchflugrechte mit türkischer Hilfe
Die Erlaubnis der bulgarischen Regierung und des bulgarischen Parlaments an die NATO, den Luftraum über Bulgarien für Angriffsflüge gegen Jugoslawien nutzen zu dürfen, gehe auch auf intensiven türkischen Druck zurück, berichteten am 22. April türkische Zeitungen, darunter die "Hürriyet". Die USA hätten als erste diese Durchflugrechte verlangt. Die bulgarische Regierung habe aber Schwierigkeiten bei der Bewilligung gehabt. Erst türkischer Druck auf die sogenannte "türkische Partei" im bulgarischen Parlament habe der Regierung in Sofia zu der notwendigen parlamentarischen Mehrheit für die Bewilligung der NATO-Angriffsflüge durch bulgarischen Luftraum verschafft, so "Hürriyet". Die bulgarische sozialistische Partei habe sich dem Antrag vergeblich widersetzt. Nun könnten auch türkische F-16-Kampfflugzeuge den bulgarischen Luftraum durchqueren, so "Hürriyet" stolz.

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Marinemanöver
Einheiten der türkischen Marine und ein Beobachtungsschiff der Marine Pakistans haben Ende April bis Anfang Mai im Marmara Meer und im Schwarzen Meer umfangreiche Seemanöver abgehalten. An den Manövern nahmen nach türkischen Presseberichten Kampfflugzeuge und Kampfbomber, eine Amphibienbrigade, zwei Fregatten, ein Zerstörer, fünf Patrouillenschiffe, 19 Kampfboote, zwei Küstenlandungsschiffe, fünf Minensucher, ein U-Boot, ein Helikopter und fünf Hilfsschiffe teil.  Die Manöver begannen am 19. April in der Marmara See und dauerten dann im Schwarzen Meer bis 3. Mai. Während der Manöver besuchte die türkische Flotte auch Häfen in Bulgarien, Rumänien und Georgien.  Beobachter aus Aserbeidschan, Rumänien, Bulgarien und Pakistan nahmen auch an den Manövern teil. (Anadolu, 23.4.99)

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Rüstungsmesse in Ankara
Vom 28. September bis 1. Oktober dieses Jahres wird in der türkischen Hauptstadt Ankara eine große Rüstungsmesse stattfinden, die IDEF (Internationale Messe für Rüstungsindustrie, Weltraum, Luftfahrt und Navigation. Die Messe findet auf der Luftwaffenbasis Turkkusu im Distrikt Etimesgut statt. (Anadolu, 27.4.99)
Zusammenstellung: rül. Quelle: Study Centre on Turkey (SOT, P.O. Box 94802, 1090 GV Amsterdam, The Netherlands, Tel. +31-20-4284061, Fax +31-20-4284062.

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Kampfhubschraubergeschäft: Expertenbesuche
Nach einem Bericht der "Turkish Daily News" vom 29.4. gehen die Bewerbungs- und Auswahlverfahren für den von türkischen Militärs geplanten Kauf von 145 modernsten Kampfhubschraubern für den Kampf gegen die kurdische Guerilla weiter. In den nächsten Wochen und Monaten, so der Bericht, würden türkische "Experten",  also wohl Militärs, alle an dem Geschäft interessierten Firmen - darunter auch die deutsch-französische Eurocopter-Gruppe - besuchen, um den Kampfwert der angebotenen Hubschrauber und Finanzierungs- und Technologiefragen zu klären. Mit einer ersten Gesamtbeurteilung der vorliegenden Angebote durch die türkischen Militärs werde bis November diesen Jahres gerechnet, so TDN. Nach Berichten aus den beteiligten Firmen sei dann mit der förmlichen Auftragserteilung bis etwa Mitte des kommenden Jahres zu rechnen. Der Beschluß der türkischen Militärs zum Kauf der Kampfhubschrauber war Mitte 1996 gefallen. (rül, Quelle:
TDN 29.4.99)

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Deutsche Waffenexporte und kein Ende ...
Auch Rot-Grün ist gegen ein Waffenexportverbot in die TR
Mit einer kleinen Anfrage hatte die PDS-Abgeordnete Ulla Jelpke vor einigen Wochen die Bundesregierung gefragt, welche Konsequenzen sie aus den neuerlichen Beobachtungen über den Einsatz deutscher Waffen gegen die kurdische Bevölkerung (u.a. des "Rüstungsinformationsbüros Baden-Württemberg e.V.", RIB) für die Handhabung von Waffenexporten in die Türkei ziehe. Am 4. Mai hat die Bundesregierung geantwortet - lapidar und lakonisch, wie schon ihre Vorgängerregierungen.
Auf die Frage der Abgeordneten, ob der Regierung die neuen Berichte vorliegen, antwortete diese lakonisch: "Die Wiedergabe des telefonisch übermittelten 'Augenzeugenberichts' durch das 'Rüstungsinformationsbüro Baden-Württemberg e.V.' liegt der Bundesregierung vor. Auch der angeführte Artikel in der Zeitung 'Neues Deutschland' vom 24.3.1999 ist bekannt."
Irgendwelche Schlußfolgerungen daraus aber zieht die Regierung nicht.  Statt dessen heißt es, die türkische Regierung habe "wiederholt zugesichert, daß sie das ihr gelieferte material vertragsgemäß einsetzt." Im übrigen: "Die Bundesregierung wird jedem Hinweis auf nicht vertragsgemäßen Einsatz des gelieferten Materials konsequent nachgehen."
Auf die Frage, welche Lagebeurteilung der Zustimmung des Bundessicherheitsrates zur Lieferung neuer U-Boote an die Türkei zugrunde gelegen habe, kommt als Antwort: "Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates sind grundsätzlich geheim", auf die Frage, ob damit nicht die Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland und Zypern weiter vertieft werden könnten, ebenso lakonisch: "Nein".
Irgendwelche praktischen, konkreten Konsequenzen aus früheren Berichten über den Einsatz von aus der BRD gelieferten Waffen gegen die kurdische Bevölkerung will auch die rot-grüne Regierung nicht ziehen. Auf die entsprechende Frage antwortete sie der PDS-Abgeordneten überhaupt nicht, sondern zitiert weitschweifig ihre Koalitionsvereinbarungen vom vergangenen Oktober zu Waffenexporten.  Berichte selbst von grünen Bundestagsabgeordneten wie Claudia Roth, Angelika Beer u.a. im Bundestag über den Einsatz deutscher Waffen werden als unerheblich abgetan, es sei nicht Aufgabe der Bundesregierung, "Äußerungen einzelner Abgeordneter im Nachhinein zu bewerten", heißt es auf entsprechende Fragen der PDS-Abgeordneten. Als ginge es hier um eine "Kommentierung" solcher Äußerungen, wo es doch in Wirklichkeit um praktische Konsequenzen aus all diesen Berichten geht!
Neue Waffenlieferungen sind ganz offenbar in Vorbereitungen, jedenfalls bestätigt die Bundesregierung, dass es eine "Voranfrage" betr. neue Waffenlieferungen an die Türkei aus der Rüstungsindustrie beim Bundessicherheitsrat bereits gibt.
Auf alle Fragen, ob Bonn nun endlich einen Exportstopp für deutsche Waffen in die Türkei verhängen wolle, redet sich die Bundesregierung mit nichtssagenden und folgenlosen Hinweisen auf die Koalitionsvereinbarung hinaus.
Nur in einem einzigen Punkt unterscheidet sich die zynische Antwort der rot-grünen Regierung auf die neuerlichen Anfrage von den Antworten der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Diese hatte vor Jahren nach der Ermordung des kurdischen Hirten Mesut Dündar, der von türkischen Militärs an einen NVA-Panzer gebunden und zu Tode geschleift worden war, noch "Verständnis" für diese Art der "Terrorismusbekämpfung" geäußert. Dieses Verständnis mag die neue rot-grüne Regierung in Bonn nun nicht mehr aufbringen. Mesut Dündar wird dadurch nicht mehr zum Leben erweckt, im Gegenteil, da auch die neue rot-grüne Regierung offenbar die Waffenexporte fortsetzen will, ist zu befürchten, daß ihm noch viele weitere kurdische Opfer folgen werden - wie er am Ende gemordet mit Hilfe deutscher Waffen.
(rül, Quelle: Antwort von Staatsminister Ludger Volmer, Auswärtiges
Amt, vom 4.5.99, Drucksache 14/958)