Frankfurter Rundschau 21.5.99

"Kaum noch Luft bekommen"
Kurde wirft BGS-Beamten schwere Mißhandlung vor

Von Dieter Balle
KARLSRUHE, 20. Mai. Schwere Vorwürfe gegen vier Beamte des Bundesgrenzschutz (BGS) hat ein staatenloser Kurde aus Gaggenau erhoben, dessen Abschiebung am Dienstag vergangener Woche am Stuttgarter Flughafen abgebrochen werden mußte. Ein Eilantrag seines Anwalts hatte in letzter Minute Erfolg gehabt. Der Flugkapitän hatte laut BGS-Angaben den Start der Turkish Airlines Maschine nach Istanbul abgebrochen. Daraufhin wurde Mehmet K. nach eigenen Angaben massiv mißhandelt.
Er sei von mehreren Uniformierten mit auf den Rücken gefesselten Händen bäuchlings in einen Polizeibus "geworfen" worden. Vier Beamte hätten sich auf ihn gesetzt und gekniet und ihn unter Beschimpfungen an den Haaren gezogen sowie in Nacken, Schulter und Beine getreten und geschlagen, berichtete K. der FR. Er habe kaum noch Luft bekommen.
Schon auf dem Weg zum Flugzeug sei er von den Beamten angeschrien und beschuldigt worden, er wolle nur in Deutschland bleiben, um Sozialhilfe zu kassieren, erklärte K. An Bord habe man ihm den Mund zugehalten und mit dem Knie eines Beamten im Rücken gefesselt in den Sitz gepreßt, so daß Fluggäste gegen das Vorgehen der Beamten protestiert hätten. Vergeblich habe er auf seinen Status als Staatenloser aufmerksam zu machen versucht.
Ein Sprecher des Stuttgarter BGS sagte auf Anfrage, die noch am selben Tag in einem Karlsruher Krankenhaus behandelten Prellungen und Blutergüsse habe sich der 30jährige selbst beigebracht, als er sich in das Dienstfahrzeug haben fallen lassen. Die Inspektion des BGS in Stuttgart sei jedoch mit der Untersuchung des Falles beschäftigt.
K. beantragte vor acht Jahren in Deutschland politisches Asyl und wurde vor sieben Jahren aus der Türkei offiziell ausgebürgert. Sein Antrag auf Ausstellung eines Staatenlosenausweises, der eine Abschiebung in die Türkei unmöglich gemacht hätte, liegt seit Monaten bei der Gaggenauer Ausländerbehörte. Diese reagierte prompt auf die gescheiterte Abschiebung. Bis zum Abschluß des durch die Eilentscheidung angeordneten Folgeverfahrens erteilte sie Mehmet K. lediglich eine Duldung und untersagte ihm, eine Arbeit aufzunehmen. So verlor der Kurde seinen Arbeitsplatz bei einer Fast-Food-Kette in Gaggenau, den er erst vor fünf Monaten gefunden hatte.