Berner Zeitung 21.5.1999

Liste der verpönten Worte als «Hilfe» für Journalisten
Türkische Medien haben von den Behörden eine Liste mit Worten erhalten, deren Verwendung man besser vermeide.

*Jan Keetman, Istanbul
Das zum türkischen Innenministerium gehörige «Amt für Beziehungen zur Bevölkerung» hat an verschiedene Medien, darunter das staatliche Fernsehen TRT und die Nachrichtenagentur Anadolu, eine Liste von Worten verteilt, deren «Gebrauch bedenklich» sei. Diese Begriffe «können in der Zukunft der Grund für Diskussionen und Missbrauch sein», heisst es im Rundschreiben vom 26. April, das die Zeitung Milliyet gestern veröffentlichte.

Terrorist statt Rebell
Wohl um Redakteuren und Sprechern ihre verantwortungsvolle Arbeit zu erleichtern, wird auch gesagt, was anstelle der falschen Begriffe besser zu sagen wäre. So soll statt den Worten «Guerilla, Rebell» einer der Begriffe «Terrorist, terroristische Elemente, Bandit» gebraucht werden. Mit Blick über oder an die Grenze soll nicht mehr von «Flüchtlingen», sondern von «Nordirakern, Asylanten» die Rede sein. Es gebe keinen «kurdischen Aufstand» oder «kurdischen nationalen Befreiungskampf» sondern nur «terroristische Aktionen».
Auch bereits einmal polierte Worte erhalten ihre Nachpolitur. So ist nicht mehr von der «Bevölkerung des Südostens» zu sprechen, sondern in dieser vor allem von Kurden bewohnten Region leben «unsere Landsleute im Osten der Türkei». Macht «Apo», das heisst der «Terrorist Öcalan», in seiner Verteidigung einen «Friedensaufruf», so braucht sich der Redakteur nicht mehr hinzusetzen und einen Kommentar dazu zu schreiben, denn mit «vorübergehender Unterbrechung der terroristischen Aktionen» ist alles gesagt.
Über Sanktionen bei fehlerhaftem Gebrauch der Begriffe enthält das Rundschreiben offenbar nichts. Türkischen Kollegen braucht man über die möglichen Folgen solcher «Fehler» auch nichts zu sagen. Nach einem Bericht der Organisation «Journalistes sans frontières» waren 1998 94 türkische Journalisten und Autoren im Gefängnis.  Treffen kann es durchaus nicht nur Aussenseiter.

Folgen der Fehler
Am Dienstag wurde der Journalist Oral Calislar von der renommierten und keineswegs prokurdischen Zeitung Cumhüriyet vom Staatssicherheitsgericht in Istanbul zu dreizehn Monaten Gefängnis verurteilt, weil er seine bereits veröffentlichten Interviews mit Öcalan und dem im Exil befindlichen kurdischen Politiker Kemal Burkay in einem Buch nochmals veröffentlichte.
Vor einem Jahr genügte der Anruf eines Offiziers, um die fristlose Entlassung von Mehmet Ali Birand, eines der bekanntesten Journalisten der Türkei, zu erreichen. Einige Tage darauf stellte sich heraus, dass die Anschuldigungen gegen den kritischen Journalisten jeder Grundlage entbehrten.