Fuldaer Zeitung 12.5.99

35 Abschiebungen
Fulda (af)
Der Landkreis Fulda hat im vergangenen Jahr 35 Abschiebungen durchgeführt. Dies erklärte Werner Jost, der Leiter der Ausländerbehörde des Kreises Fulda.
Zehn Fälle betrafen zehn türkische Staatsbürger, dvon denen neun Kurden waren. Die Zahl 35 beziehe sich auf Abschiebungen in eigener Zuständigkeit, das heißt ohne Amtshilfe für Behörden anderer Städte oder Kreise.
Im ersten Quartal des laufenden Jahres führte der Landkreis fünf Abschiebungen durch, darunter zwei türkische Staatsbürger kurdischer Volkszugehörigkeit. Im April dieses Jahres lag die Zahl bei elf Personen, unter ihnen eine achtköpfige kurdische Familie.
Die Stadt Fulda hat nach Angaben von Magistratspressesprecher Michael Schwab in diesem Jahr noch keine abgelehnten Asylbewerber abgeschoben.
Im vergangenen Jahr lag die Zahl bei neun, davon drei Kurden. In keinem der Fälle habe die Stadt einen Handlungsspielraum gehabt, betonte Schwab.
[FZ]



Fuldaer Zeitung 12.5.99

Streit um langwierige Asylfälle

Fulda (af)
Die Abschiebepraxis des Landkreises Fulda hat zu einem Konflikt zwischen der kurdischen Gemeinde Fulda und der Ausländerbehörde des Kreises geführt. „Unrechtmäßig und unmenschlich“ heißt es auf Seiten des Vereins. „Behauptung von Unwahrheit und Halbwahrheiten“ entgegnet die Behörde, die sich auf die gesetzlichen Bestimmungen beruft. Zuletzt trafen sich die Parteien Ende April vor Gericht, wo sich Abdul Demir, Vorsitzender der kurdischen Gemeinde, verantworten mußte. Er wurde wegen Beleidigung eines Sachbearbeiters der Ausländerbehörde zu 50 Tagessätzen à 20 Mark verurteilt.
Demirs Anschuldigung, in der Ausländerbehörde des Kreises gebe es rechtsradikal denkende Mitarbeiter, waren – ebenso wie während des Prozesses Inhalt einer vorausgegangenen Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Werner Jost, den Leiter der Ausländerbehörde des Landkreises. Demir erklärte gegenüber der FZ: „Es gibt da schwarze Schafe. Wer nicht mit Ausländern zu tun haben möchte, soll in einer anderen Behörde arbeiten.“ Er begründete damit die Dienstaufsichtsbeschwerde, die er beim Regierungspräsidium Kassel eingereicht hatte und die von diesem zurückgewiesen worden war: „Das korrekte Verhalten der Bediensteten der Ausländerbehörde wird durch permanente gerichtliche Entscheidung bestätigt.“ Jost verwahrte sich gegenüber der FZ vehement gegen die Attacken.
Daneben erhob Demir gegenüber der FZ in drei Fällen von abgeschobenen Kurden Vorwürfe gegen den Kreis. Jost sieht hingegen in den „Halbwahrheiten und Unwahrheiten“ eine „Kampagne gegen die Ausländerbehörde und das Sozialamt.“ Demirs Attacke solle „wahrscheinlich die Behörden verunsichern“.
Petition an den Landtag
Im ersten Fall geht es um eine fünfköpfige kurdische Familie, deren im Jahr 1988 eingereister Vater im Februar abgeschoben wurde. „Aus humanitären Gründen hätte man den Vater dulden können, da die restliche Familie ebenfalls geduldet sei“, erklärte Demir. Dem widerspricht Jost: Die Familie sei nicht auf Dauer geduldet, sondern nur bis zum Abschluß des Asylverfahrens. Der Vater habe abgeschoben werden müssen, da dies der Innenminister in Wiesbaden nach Ablehnung von Asyl- und Asylfolgeantrag sowie einer erfolglosen Petition an den Hessischen Landtag zwingend angeordnet habe. Die 1990 eingereiste Mutter und ihre Kinder seien aus mehreren Gründen noch in Deutschland. Zum einen sei für das jüngste Kind der Familie, das 1991 in Deutschland geboren wurde, „aus taktischen Gründen“ ein Asylantrag gestellt worden. Über diesen sei noch nicht rechtskräftig entschieden. Außerdem sei die Familie „angeblich nicht im Besitz von Ausweispapieren, die zwischenzeitlich von uns beantragt wurden“, erklärte Jost.
Der Amtsleiter wies zudem Demirs Vorwurf zurück, der Kreis habe 1997 irrtümlich den falschen von zwei kurdischen Brüdern abgeschoben. Vielmehr sei einer der beiden Männer, die in Künzell lebten, mit seiner Familie untergetaucht. Ausreisen mußte deshalb nur der Bruder, dessen Aufenthaltserlaubnis nach Ablehnung des Asylantrages ebenfalls abgelaufen sei. Der zweite Kurde sei in Saarbrücken aufgegriffen und in die Türkei geschickt worden.
Im Zusammenhang mit der Abschiebung einer achtköpfigen kurdischen Familie im April weist Jost ebenfalls die Behauptungen Demirs zurück: Diese sei nicht in Handschellen abgeführt worden, wie dies der Vorsitzende der kurdischen Gemeinde gegenüber der FZ erklärt hatte. Auch habe die Familie laut Akten nicht freiwillig zum Ende des Schuljahres ausreisen wollen, wie dies Demir angegeben hatte.
Die drei Fälle zeigen nach Josts Auffassung, vor welche Probleme mancher Asylfall seine Behörde stelle. So habe die aus Gersfeld abgeschobene Familie angegeben, 1992 von Schleppern mit falschen Papieren nach Deutschland geschleust worden zu sein. Die Pässe hätten später abgegeben werden müssen. Bei der Abschiebung seien dann die türkischen Pässe der Familie entdeckt worden, in denen sich Touristenvisa fanden.
Kreis: „Hohe Kosten“
Außerdem betont Jost, daß er keinen Ermessenspielraum bei Abschiebungen habe: „Die Entscheidung liegt bei den Gerichten.“ Daneben gehe es dabei auch um „öffentliche Belange“: Asylbewerber erhalten in der Regel Sozialhilfe. Während der Jahre, in denen die Anträge geprüft werden, kämen hohe Summen zusammen. Im Falle der achtköpfigen kurdischen Familie aus Gersfeld bezifferte Jost die wegen „mißbräuchlicher Asylantragstellung“ gezahlte Sozialhilfe seit 1988 auf 210000 Mark.