taz Berlin 8.5.1999

Der Innensenator ist der erste Zeuge
Der Untersuchungsausschuß zu den tödlichen Schüssen am israelischen Konsulat hat sich gestern konstituiert. Schon bei der ersten Sitzung gab es politische Rangeleien. Gefordert wird auch die Befragung von Bundesministern

Im Grunde geht es um die klassische Watergate-Frage: „What knew the president - and when?“ - wenn auch in etwas bescheidenerem Berliner Rahmen: Der Untersuchungsausschuß zu den Kurden-Protesten Mitte Februar und der tödlichen Schießerei vor dem israelischen Generalkonsulat hat sich gestern konstituiert.
Dabei wird es nach den Worten des bündnisgrünen Ausschußvorsitzenden Wolfgang Wieland vor allem um das Geschehen vor den Schüssen der israelischen Sicherheitsbeamten gehen, die vor und in dem Konsulat vier protestierenden Kurden tödliche Verletzungen zugefügt hatten. Im Zentrum steht dabei die Verantwortung von Innensenator Eckart Werthebach (CDU) für den offensichtlich mangelhaften Schutz der Mission. Er soll am 21.  Mai gehört werden.
Den politisch brisanten Fragenkomplex „Einschätzung der Lage durch den Innensenator und die Polizeiführung“ werden die sieben Ausschußmitglieder zuerst behandeln. Der vom Plenum des Abgeordnetenhaus bereits formulierte Untersuchungsauftrag sieht dazu neun Fragenbündel vor. Bei der konstituierenden Sitzung war umstritten, ob sie in der vorgegebenen Reihenfolge behandelt werden sollen oder nicht.
Diese Frage ist wichtig, denn der Ausschuß steht unter Zeitdruck:
In wenigen Wochen ist Sommerpause, und das Gremium muß oder sollte zumindest bis zur Abgeordnetenhauswahl am 10. Oktober die politischen Hauptfragen behandelt haben. Laut Wieland will der Ausschuß den ersten Fragenkomplex bis zum Beginn der Sommerpause zu beantworten versuchen, damit er dann einen Zwischenbericht erstellen kann, der im September dem Parlament vorlegt werden könnte. In Oppositionskreisen wird vermutet, daß die drei CDU-Vertreter die Fragen so anordnen wollen, daß die Punkte zu möglichen Fehlern Werthebachs wegen Zeitverzugs erst gar nicht mehr erörtert werden können.
Der Sprecher der CDU-Vertreter im Gremium, Andreas Gram, betonte, seine Partei halte es für sinnvoller, zuerst alle wichtigen Akten zu studieren, ehe die Befragung der Zeugen, „Einvernahme“ genannt, beginnt. Nach Informationen Wielands gab es bei der konstituierenden Sitzung auch darüber Meinungsverschiedenheiten.  Die Mehrheit habe sich dann mit ihrer Ansicht durchgesetzt, zumindest Werthebach schon vor dem Studium aller Akten zu befragen. Der CDU liegt vor allem daran zu ermitteln, welche Informationen zur PKK bei Ausbruch der Gewalt vorlagen. Sie ist eher daran interessiert, Verantwortung für die Sicherheitsversäumnisse auf die rot-grüne Bundesregierung abzuwälzen. Nach Wieland gibt es „umfangreiche“ Wünsche im Ausschuß, auch Mitglieder der Bundesregierung zu hören. Diese gingen „in Richtung“ von Zeugenaussagen der Bundesminister für Inneres und Auswärtiges, Otto Schily (SPD) und Joschka Fischer (Bündnisgrüne).
Eine Befragung der israelischen Sicherheitsbeamten ist dagegen unwahrscheinlich, weil das Geschehen in und vor dem Generalkonsulat erst behandelt werden soll, wenn der erste Fragenkomplex abgeschlossen wurde. Das aber, davon geht jeder aus, kann dauern.
Philipp Gessler