DIE WELT, 30. 04. 1999

PKK verschreckt Touristen
Furcht vor Kurden-Anschlägen ­ Türkei wirbt um deutsche Urlauber

Von Insa Gall
Antalya ­ Die deutschen Urlauber haben sich in der klimatisierten Bar des Hotels „Kemer Vista“ versammelt, um den Journalisten darüber zu berichten, wie ungefährlich die Touristenregion an der türkischen Riviera sei. Sie fühle sich hier 100prozentig sicher, sagt Margarete Aust aus Bad Segeberg. „Wir haben keine Angst“, versichert Gerd Jacoby aus Berlin, „sagen Sie das ruhig weiter.“
Der Tourismus in der Türkei steckt in einer schweren Krise ­ die Bombendrohung der kurdischen Terrororganisation PKK und der Öcalan-Prozeß, der heute formell beginnt, halten vor allem die deutschen Besucher fern. Von den insgesamt 157 000 Urlauberbetten in der Region Antalya stehen derzeit 70 bis 80 Prozent leer. Auch die Buchungszahlen für die laufende Saison liegen 30 bis 50 Prozent unter denen des bereits schwachen Vorjahres.
Nachdem sich die offizielle Türkei bisher in Schuldzuweisungen und Verschwörungstheorien erging, rüstet man sich nun zum Kampf, die Touristen aus „Almanya“ zurückzugewinnen. Mehrere Dutzend deutsche Journalisten wurden an die türkische Riviera gebracht; sie sollen das Bild vom Paradies im Kriegszustand korrigieren. Initiator ist Vural Öger, türkischstämmiger Inhaber des größten deutschen Türkeireise-Anbieters „Öger Tours“. Er lud zu einer Pressekonferenz ins sonnige Kemer, eine Autostunde von Antalya entfernt.
Die Botschaft ­ von eigens angereisten Fachleuten und Regierungsvertretern, kurdischstämmigen Hoteliers und den deutschen Urlaubern einhellig vorgetragen: Die PKK drohe seit Jahren mit Bombenanschlägen, doch die Touristengebiete im Süden des Landes seien zuletzt 1993 Schauplatz von Terrorakten geworden: Damals explodierten in Antalya drei Bomben. Die Sicherheitsvorkehrungen der türkischen Behörden seien effektiv. Ein Kurdenproblem gebe es nicht ­ viele kurdischstämmige Türken seien selbst erfolgreich in der Tourismusindustrie beschäftigt. Die Problematik liege höchstens im sozialen Bereich, in der Strukturschwäche des unterentwickelten Ostanatoliens.
Die Türkei fühlt sich unfair behandelt ­ von den Medien und auch von den Deutschen, die aufgrund der einen PKK-Drohung millionenfach fernblieben, während sie unbekümmert nach Ägypten oder in das ebenfalls von Bombenanschlägen betroffene London reisten. „In unserem Land wird Sicherheit auf allen Ebenen gewährleistet“, versichert Faruk Erol, stellvertretender Staatssekretär im Tourismusministerium. 4000 Polizisten und 4000 Gendarme seien in der Region Antalya eingesetzt, schildert Polizeidirektor Natik Canca.
Mittlerweile hat auch die Regierung erkannt, daß sie etwas unternehmen muß, um die wichtigste Wachstumsbranche der Türkei vor einem Debakel zu bewahren. Im Mai werde man in Deutschland eine Werbekampagne starten, kündigt der Ministeriumsvertreter an. Mit Anzeigen in Fachzeitschriften, Hörfunkspots sowie Plakatierungsaktionen soll das Image der Türkei aufpoliert werden. Dafür stehen vier Millionen Mark zur Verfügung. „Viel Geld ist das nicht“, räumt Faruk ein.
Mit eigenen Augen überzeugen können sich die Journalisten vor allem davon, wie schwer die Krise die Region trifft. Viele Anlagen sind sind gar nicht geöffnet. Kellner decken die Tische in den Restaurants jeden Abend neu ein, doch nur selten läßt sich auch ein Gast nieder.
„Wenn die Lage sich nicht bessert, bin ich am Ende der Saison pleite“, sagt Hassan Yorulmaz, der mit sieben Angestellten mehrere Ledergeschäfte in Hotels betreibt. Im Schnitt mußten die Hoteliers die Hälfte ihres Personals entlassen.
So beschäftigt die Öger-eigene 1000-Betten-Anlage „Palm Beach Majesty Club“ statt 240 derzeit 130 Menschen. Fünf von zehn Öger-Hotels sind gänzlich geschlossen. „Hotels wie diese können den Verlust ausgleichen ­ auch die großen Reiseveranstalter werden überleben“, sagt Clubmanager Halük Tüfekci. Doch die kleinen Geschäfte und Souvenirläden, die Privatpensionen und Türkeireise-Spezialisten würden auf der Strecke bleiben.
„Es ist eine Katastrophe für die Menschen in der Region“, klagt der Manager. Von den 500 000 allein im Raum Antalya im Tourismus Beschäftigten sei die Hälfte ohne Arbeit. Eine Arbeitslosenversicherung gibt es nicht.
„Zentrum für Türkeistudien“ im Internet: http://www.uni-essen.de/zft
Reisehinweise: http://www.auswaertiges-amt.de