Rhein-Neckar-Zeitung 29.4.1999

Bonner Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungsverfahren gegen Saddam

Bonn (dpa) - Die Bonner Staatsanwaltschaft prüft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den irakischen Staatschef Saddam Hussein wegen schwerer Freiheitsberaubung und anderer Delikte. Der Sprecher der Behörde, Bernd König, bestätigte am Donnerstag in Bonn den Eingang einer Strafanzeige des früheren iranisch-kurdischen Politikers und jetzigen deutschen Staatsbürgers Ali H. Ghazi. «Es wird nun geprüft, ob Strafverfolgungsmaßnahmen zulässig und gegebenenfalls geboten sind», sagte der Sprecher.
Ghazi begründet am Donnerstag vor Journalisten in Bonn seine Strafanzeige damit, daß er in irakischer Haft (von 1986 bis 1991) unter schlimmsten Bedingungen fünf Jahre seines Lebens verloren habe. Er sei weder wegen irgendeines Deliktes angeklagt worden, noch habe es je ein Verfahren gegen ihn gegegeben. Er sei bei einem Besuch in Bagdad ohne Angaben von Gründen verhaftet worden. Seit seiner Rückkehr habe er versucht, Saddam deswegen vor Gericht zu bringen.
Ghazis Bremer Rechtsanwalt H.-Eberhard Schultz teilte mit, der Generalbundesanwalt habe sich zunächst auf den Standpunkt gestellt, daß die Saddam zur Last gelegten Taten nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterlägen.  Jedoch habe der 2. Senat des Bundesgerichtshofes beschlossen, die Untersuchung der Angelegenheit und die Entscheidung über eine Anklageerhebung dem Landgericht Bonn zu übertragen. Ghazi lebt als Kaufmann im Rheinland.
Der Fall des Kurden-Politikers, der seit Jahrzehnten in Deutschland lebt und vor der islamischen Revolution mehrere Jahre lang an der iranischen Botschaft in Bonn tätig war, hatte auch die Bundesregierung bewegt. Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher intervenierte mehrfach in Bagdad, um Ghazis Freilassung zu erreichen.  Ghazi, der zum Zeitpunkt seiner Festnahme einen deutschen Fremdenpaß besaß, wurde während seiner Haft deutscher Staatsbürger.