DIE WELT, 28. 04. 1999

Hamburgs Händler besorgt: Krisen vermiesen das Geschäft
Kurden-Demonstrationen und Proteste gegen den Kosovo-Krieg bescheren den Kaufleuten starke Umsatzrückgänge

Von Gonne Garling
Die Lage ist gespannt ­ seit den ersten Kurden-Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Nato-Luftangriffe auf Jugoslawien.
Allabendlich demonstrieren Friedensinitiativen und Hamburger Serben auf dem Gänsemarkt gegen die Luftschläge, den ganzen Tag über bewachen Polizeikräfte das türkische Konsulat in der Tesdorpfstraße. Die verschärften Sicherheitsvorkehrungen belasten zunehmend das öffentliche Leben und die Umsätze der Geschäftsleute in den betroffenen Vierteln.
Zum Salon von Marlies Möller gelangen die Kunden der Star-Friseurin nur noch an Absperrgittern und Polizeiwagen entlang. Denn im Nachbarhaus der weißen Villa liegt das türkische Konsulat, die Zufahrt wurde komplett abgeriegelt. „Unsere Umsätze leiden darunter“, sagt Geschäftsführer Manfred Möller. „Dramatisch“ sei die Situation kurz nach der Verhaftung des Kurden-Führers Öcalan gewesen, „aber noch immer haben Kunden Bedenken, zu uns zu kommen.“ Es wirke abschreckend, wenn Polizisten mit der Pistole am Gürtel wenige Meter vom Eingang entfernt ihren Wachdienst leisteten.
Mit einer Eingabe an den Senat wollen die Geschäftsleute und Anwohner jetzt auf ihre Situation aufmerksam machen. Ihre Forderung: „Das Konsulat muß verlegt werden“, so Manfred Möller.
Eine Forderung, die in der Umgebung breite Zustimmung findet. Auch Frank Blohm, Inhaber von Broder’s Figlio Essbar, gegenüber dem Konsulat, ist den Blick auf Absperrgitter und Einsatzfahrzeuge leid. „Meine Kunden machen sich Sorgen“, sagt er.
Die geplante Eingabe will er unterstützen. „Die ständigen Demonstrationen und die unterschwellig permanent vorhandene Gefährdung ­ auf Dauer kann das ein ganzes Viertel kaputtmachen.“ Umsatzeinbußen gab es auch bei Blumen Jürs am Mittelweg. „Wenn vor dem Haus Demonstranten stehen, dann traut sich doch niemand mehr einzukaufen“, meint Mitarbeiterin Dörte Stimman.
Nicht viel anders die Situation am Gänsemarkt. Dort wird jeden Abend gegen die Nato-Luftschläge protestiert. Bisher ohne Krawalle, vieleicht nur aufgrund des starken Polizeiaufgebots. Den Einzelhändlern jedoch wird das allmählich zuviel. So suchte der Landesverband des Hamburger Einzelhandels bereits das Gespräch mit Innensenator Hartmuth Wrocklage, um sich zu informieren, wie lange die gespannte Lage wohl noch anhalten könne. „Wir haben Verständnis für die Demonstrationen, zumal sie bisher friedlich verlaufen sind“, sagt Ulf Kalkmann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes. „Es wäre jedoch besser, wenn die Demos nicht stets auf dem gleichen Platz genehmigt würden.“ So leiden derzeit die Geschäfte am Gänsemarkt.