junge Welt  26.04.1999

Kreuzberger »Autonome« staats(schutz)nah
Wie eine Anti-Kriegs-Demo in Berlin »serbenfrei« gemacht wurde

Was am Sonnabend auf dem Berliner Kleistplatz geschah, war ein frecher Anschlag auf das Recht auf Demonstration und freie Meinungsäußerung.
Es war zudem die perfide Fortsetzung einer Taktik, Kundgebungen zu illegalisieren, wenn darin verbotene Symbole auftauchen, zum Beispiel die PKK-Fahne. Diesmal waren es serbische und jugoslawische Flaggen sowie ein Milosevic- Porträt, die von der Obrigkeit als höchst anstößig empfunden wurden. Doch es war nicht die Berliner Polizei, die ein deutsches Verbotsgesetz exekutierte, das in diesem Fall ja auch gar nicht existiert, es waren die aus »autonomen Zusammenhängen« kommenden Veranstalter einer Demonstration, die vorgeblich gegen den Krieg der NATO gerichtet war.
Jugoslawen, die in dem naiven Glauben gekommen waren, um mit »deutschen Freunden« ein gemeinsames Anliegen zu vertreten, sahen sich bei der Eröffnungskundgebung plötzlich auf das wüsteste beschimpft. Wer nationalistische Symbole, lies: die Nationalflagge der Opfernation des NATO-Krieges sowie das Porträt eines »Massenmörders« mittragen wolle, könne dies ruhig tun. In Belgrad, aber nicht in Berlin. Denn wer zu Milosevic schweigt ... Die folgende Darstellung »serbischer Verbrechen« hätte ein Scharping nicht schlechter erfinden können. Jugoslawen und deutsche Antimilitaristen meinten, in eine UCK-Kundgebung geraten zu sein. Was autonomen Kritikern des Krieges gegen Jugoslawien mißfällt, ist einzig die fehlende Intelligenz von NATO-Bomben, gute Albaner von bösen Serben zu unterscheiden. Damit war die Spaltung vollzogen, die Autonomen-Demo ethnisch gesäubert. Deutsche, die mit dem Jugo-Block und nicht mit dem deutsch-autonomen Mainstream marschierten, wurden als Milosevic-Knechte denunziert.
Die Demo-Säuberer sind die gleichen, die ungebeten jede linke Demonstration beehren, um fortschrittliche Anliegen zu blamieren. Der Staatsschutz weiß, was er an seinen schwarzen Kolonnen hat.
Werner Pirker