DIE WELT, 3.4.1999

Schily befürchtet derzeit keine Kurden-Gewalt
Der Bundesinnenminister begrüßt Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Abschiebeschutz

Von Martina Fietz
Bonn ­ Bundesinnenminister Otto Schily hat das jüngste Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Abschiebeschutz begrüßt. „Das ist eine Bestätigung meiner Rechtsauffassung. Mit dieser Entscheidung sind einige rechtliche Zweifelsfragen ausgeräumt“, sagte der SPD-Politiker der WELT. Der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hatte präzisiert, welche Art der Unterstützung der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) der Gewährung von Asyl und Abschiebeschutz entgegensteht.
„Ich hoffe, daß das Urteil dazu beiträgt, in den Kreisen mit einer Neigung hin zur PKK Klarheit zu schaffen, welche Grenzen das Gesetz Menschen setzt, die sich hier bei uns aufhalten“, sagte Schily. Das in Berlin ansässige Gericht hatte in einem Grundsatzurteil einerseits befunden, daß Abschiebeschutz nur dann verwehrt werden kann, wenn der betroffene Ausländer eine Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland darstelle. Das sei bei einer Teilnahme an einer illegalen Aktion nicht automatisch gegeben, hieß es in dem Urteil mit Blick auf einen Kurden, der an einer gewalttätigen Demonstration teilgenommen hatte. Anders liegt der Fall nach Ansicht der Bundesrichter allerdings bei Funktionären der PKK, die die verbotene Organisation intensiv unterstützen. Sie haben keinen Anspruch auf Asyl und erhalten auch keinen Abschiebeschutz wegen politischer Verfolgung.
„Ich bin offen für alle berechtigten Forderungen der Menschen kurdischer Abstammung in der Türkei“, erläuterte der Bundesinnenminister. „Es muß diesen kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen entsprochen werden ­ allerdings immer unter Wahrung der Integrität des türkischen Staates. Diesen Interessen dient man nur, wenn man friedlich dafür streitet. Wer sich an Gewaltaktionen oder anderen strafbaren Handlungen beteiligt, schadet nicht nur diesen Interessen, sondern muß mit den harten Konsequenzen rechnen, die der Rechtsstaat bereithält“, so Schily. Gegenwärtig müsse nicht mit neuen Aktionen der PKK gerechnet werden, sagte Schily. Allerdings sei eine „absolut sichere Voraussage“ nicht möglich. Wenn der Prozeß gegen Kurden-Führer Abdullah Öcalan voraussichtlich Ende April beginne, hänge es sehr davon ab, wie dieser Prozeß ablaufe und mit welchem Ergebnis er ende. Schily sagte weiter: „Dann kann sich die Lage durchaus gespannter darstellen als bisher. Ich glaube aber, daß auch in den Kreisen der PKK die Erkenntnis gewachsen ist, daß man mit solchen Aktionen wie anläßlich der Verbringung Öcalans in die Türkei nur Gegnerschaft schürt.“ Schily verweist außerdem auch darauf, daß die europäischen Innen- und Justizminister nach den Ereignissen vom Februar auf seine Initiative hin beschlossen haben, den Informationsaustausch zu intensivieren sowie Erkenntnisgewinn und -vermittlung über bevorstehende Gewaltakte zu verbessern. „Vor diesem Hintergrund ist eine Wiederholung der Ereignisse in diesem Ausmaß nicht zu erwarten. Natürlich werden wir gerade mit Blick auf bestimmte Termine, die zu neuen Aktionen führen könnten, vorbereitet sein“, sagte der Bundesinnenminister.