Stuttgarter Zeitung, 23.03.1999

Wehrdienst-Befreiung kostet 10000 Mark
Staatsbürgerschaftsrecht: So sehen die Regelungen für Türken aus, die Deutsche werden wollen

Was passiert, wenn ein Türke Deutscher wird und seine ursprüngliche Staatsbürgerschaft aufgibt? Im Zuge der Diskussionen über die Änder ung des Staatsbürgerschaftsrechts wurde hierzulande viel von Nachteilen berichtet - nicht alle treffen zu.
Von Jürgen Brand
Nach Angaben des türkischen Generalkonsulats in Stuttgart ist es zum Beispiel falsch, daß ein ehemaliger türkischer Staatsangehöriger da s Recht verliert, in seinem Heimatort bestattet zu werden. Dies war bei Diskussionen wiederholt erwähnt worden.
Die Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft wurde zuletzt im Juni 1995 mit einem Gesetz geregelt. Danach erhält ein ehemaliger Staatsangehöriger der Türkei beim Wechsel der Staatsbürgerschaft ei ne Art Personalausweis, der vom türkischen Innenministerium ausgestellt wird. Diese rosafarbene Karte legitimiert die bisherigen Türken zur Wahrnehmung aller staatsbürgerlichen Rechte der Türkei wie Wohnrecht, freies Reisen, Arbeitsplatzwahl, Anlagen finanzieller Art, Handel, Erbrecht, Kauf beweglicher und unbeweglicher Güter, Übertragung von Eigentum, Anmietung von Wohnungen und eben auch dem Begräbnis.  Ausgenommen sind die politischen Rechte, das heißt das aktive und passive Wahlrecht sowie die Möglichkeit, eine Position oder ein Amt im öffentlichen Dienst wahrzunehmen. Die Ausweise werden laut Generalkonsulat in Stuttgart seit Ende 1996 ausgegeben, bisher wurden hier rund 5000 davon ausgestellt.
Für Männer ist die Frage des Wehrdienstes wichtig. In der Türkei werden junge Männer im Alter von 19 Jahren gemustert, vom 20.  Lebensjahr an können sie den Militärdienst leisten, der 18 Monate dauert. Um zu verhindern, daß zum Beispiel in Deutschland lebende türkische Arbeitnehmer bei Ableistung des Wehrdienstes in der Heimat hier ihre Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verlieren, gibt es in der Türkei ein Gesetz mit der Bezeichnung „Bezahlter Wehrdienst“. Es ermöglicht ein Freikaufen vom türkischen Wehrdienst. Betroffene müs sen dann lediglich ein knapp einen Monat dauerndes Training in der Türkei absolvieren, dafür aber bis zum vollendeten 38.Lebensjahr 10000 Mark in vier Raten an den türkischen Staat zahlen. Diese Möglichkeit kön nen nur diejenigen in Anspruch nehmen, die mindestens drei Jahre legal in Deutschland leben und arbeiten.
Entscheidet sich ein Türke im wehrdienstfähigen Alter dazu, Deutscher zu werden, bevor er den türkischen Militärdienst geleistet hat, wird er automatisch in Deutschland gemustert. Diese Vorgehensweise geht laut türkischem Generalkonsulat auf eine Vereinbarung im Rahmen der Nato-Mitgliedschaft zurück, wonach man im jeweils anderen Mitgliedsstaat bei Aus- beziehungsweise Einbürgerung wehrdienstpflichtig wird.
Auch über das Wahlrecht von im Ausland lebenden Türken besteht offenbar Unklarheit. Laut Generalkonsulat garantiert die türkische Verfassung jedem Staatsangehörigen das Wahlrecht. Eine Briefwahl oder die Möglichkeit zur Stimmabgabe in den Konsulaten gibt es jedoch nicht. Zur Zeit werde an einem neuen Wahlgesetz für nicht in der Türkei lebende Staatsangehörige gearbeitet, heißt es. Bis es verabschiedet wird, muß die Stimme in der Türkei abgegeben werden, im Ausland lebende Türken können dies auch an türkischen Flughäfen o der bei anderen türkischen Zollbehörden tun. In der Türkei wird das nächste Mal am 18.April gewählt.