Berliner Zeitung 31.3.99

Pro Asyl kritisiert Urteil zu PKK-Funktionären
„Abschiebung widerspricht Flüchtlingskonvention“ / Union will Ausländerrecht verschärfen

Von Sigrid Averesch
BERLIN, 30. März. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Dienstag zur Versagung des Abschiebeschutzes für PKK-Funktionäre kritisiert. Das Gericht nehme „völkerrechtliche Bestimmungen nicht zur Kenntnis“, sagte Vorstandsmitglied Hubert Heinhold der „Berliner Zeitung“. Der Jurist verwies auf die Genfer Flüchtlingskonvention, die eine Versagung des Abschiebeschutzes nur bei schweren Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, unpolitischen Straftaten sowie Taten gegen die Ziele der Vereinten Nationen vorsieht. „Das ist bei der PKK, die das Selbstbestimmungsrecht der Kurden anstrebt, nicht der Fall“, so Heinhold. Die Argumentation der Berliner Richter, die einen Befreiungskampf mit Terrorismus gleichsetzten, sei zu simpel, selbst wenn es vereinzelt zu terroristischen Aktivitäten der PKK gekommen sei.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verlangte am Dienstag die sofortige Abschiebung von PKK-Funktionären aus Deutschland. Ferner müsse jetzt das Ausländerrecht geändert werden, um auch Teilnehmer von illegalen Versammlungen ausweisen zu können, erklärte deren innenpolitischer Sprecher Erwin Marschewski.
Das Bundesinnenministerium verwies darauf, daß auch mit dem Urteil eine Abschiebung nicht möglich sei. Dem stehe das Ausländerrecht wie auch internationale Vereinbarungen entgegen.
Danach kann ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn ihm Folter oder die Todesstrafe droht. Diese Frage sei auch mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht geklärt. Die Ausländerbehörden müßten nun jeden Einzelfall prüfen. Maßgeblich sei dabei der Lagebericht des Auswärtigen Amtes. Der jüngste ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, der nach der Festnahme von PKK-Chef Öcalan erstellt wurde, warnt vor einer Abschiebung.
Unterdessen sind zwei Kurden, die im Februar nach Ausschreitungen in Leipzig in Abschiebehaft genommen wurden, wieder auf freiem Fuß gesetzt worden. Die Abschiebehaft sei nach der richterlichen Überprüfung nicht verlängert worden, teilte Innenminister Klaus Hardraht (CDU) am Dienstag mit.