Stuttgarter Zeitung 31.3.99

Illegale Demo kein Abschiebegrund
Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts zur PKK: Funktion in der Partei entscheidend

Entscheidend sei, wie stark ein PKK-Aktivist in die Partei eingebunden sei und welche Stellung er in der Parteihierarchie einnehme. urteilte das Gericht. Der Berliner Entscheidung lagen drei Fälle zugrunde, in denen Oberverwaltungsgerichte kurdischen Asylbewerbern wegen ihrer politischen und teilweise auch kriminellen Aktivitäten einen Abschiebeschutz versagt hatten. 1992 hatte ein Kurde an einer verbotenen PKK-Demonstration in Karlsruhe teilgenommen. Er hatte darüber hinaus der PKK regelmäßig Geld gespendet und an zahlreichen anderen Veranstaltungen teilgenommen. Wegen seiner Teilnahme an der Blockade war der Asylbewerber zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
In alledem sah das Gericht indes keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Sicherheit der Bundesrepublik. ¸¸Er war ein aktiver Sympathisant, aber mehr auch nicht’’, befanden die Richter. Sie räumten allerdings ein, daß es keine ¸¸objektive Meßlatte’’ gebe. Jeder Einzelfall müsse genau geprüft werden.  Was in demokratisch stabilen Zeiten noch zu dulden sei, könne in politischen Krisenzeiten ein anderes Gewicht bekommen, sagte der Vorsitzende des 9. Senats, Friedrich Seebass. Dieses Urteil sei nicht als Freibrief für die PKK-Sympathisanten zu verstehen.
In zwei Fällen stützten die Bundesrichter hingegen die Entscheidung der unteren Instanzen. Ein Spendeneintreiber der PKK, der bereits wegen versuchter schwerer Körperverletzung verurteilt war, stellt nach Ansicht der Bundesrichter eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik dar, da er durch seine Militanz die Schlagkraft der eigenen Organisation erhöhe. Er sei ein ¸¸maßgebliches Rädchen im Getriebe der PKK’’. Ohne die ¸¸Mitwirkung der unteren Organisationsebene’’ wäre die Arbeit der PKK nicht möglich.
Ähnlich urteilten die Bundesrichter im Fall eines PKK-Gebietsleiters, der bereits wegen schwerer Freiheitsberaubung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorbestraft war. Durch sein Handeln als hochrangiger Funktionär der PKK habe der Mann den terroristischen Kampf in besonderer Weise unterstützt. Asyl könne nicht beanspruchen, ¸¸wer den in seinem Heimatland mit terroristischen Mitteln geführten politischen Kampf vom Boden der Bundesrepublik Deutschland aus fortsetze oder unterstütze’’.
Ausdrücklich wies der 9. Senat darauf hin, daß er nicht darüber zu entscheiden hatte, ob die beiden Männer nun tatsächlich abgeschoben werden können. In Übereinstimmung mit der europäischen Menschenrechtskonvention darf niemand abgeschoben werden, dem in der Heimat Todesstrafe, Folter oder unmenschliche Behandlung drohen.
Wie die Nachrichtenagenturen ergänzend berichten, forderte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach dem Urteil, PKK-Funktionäre sofort abzuschieben. Außerdem müsse jetzt das Ausländerrecht geändert werden, damit man auch Teilnehmer von illegalen Versammlungen ausweisen könne, erklärte ihr innenpolitischer Sprecher Marschewski. Die PDS erklärte, Kurden müßten weiter vor Abschiebung in die Türkei geschützt werden. Das Urteil dürfe nicht dazu führen, daß die Bundesrepublik mit der Türkei ein Papier über die Einhaltung des Folterverbots unterzeichne und danach Kurden zwangsweise in die Türkei gebracht würden.


PKK und Abschiebung

Als nach der Entführung des PKK-Chefs Öcalan durch den türkischen Geheimdienst in der Bundesrepublik lebende Kurden randalierten und die Polizei in Atem hielten, überschlugen sich deutsche Politiker mit der Forderung, zumindest die Aktivisten der hierzulande verbotenen kurdischen Arbeiterpartei rasch abzuschieben. Es war nur Kraftmeierei, denn mit dem Abschieben selbst von PKK-Funktionären ist es nicht so einfach. Das Bundesverwaltungsgericht hat jetzt zum asylrechtlichen Abschiebungsschutz von Aktivisten und Sympathisanten der PKK ein die nachgeordneten Gerichte bindendes Grundsatzurteil gefällt. Bei der PKK wird man es mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen.
Zunächst: Wer der Terror-Organisation regelmäßig Geld spendet - wie freiwillig auch immer - und an verbotenen Demonstrationen teilnimmt, darf nicht abgeschoben werden. Er erhält sogenanntes kleines Asyl und damit eine Aufenthaltsbefugnis. Diese Einschätzung könne sich, sagt das Gericht, allerdings je nach Sicherheitslage ändern. Den Behörden hilft das wenig. Bis das Gericht eine veränderte Lage feststellt, kann es Jahre dauern. Im Falle eines hohen PKK-Funktionärs und eines Spendeneintreibers - beide sind einschlägig vorbestraft - hat das Bundesverwaltungsgericht den Asylanspruch und damit den Abschiebeschutz verweigert.
Aber die beiden PKK-Aktivisten werden trotzdem im Lande bleiben. Es müssen, sagen die Richter, mögliche Abschiebehindernisse gemäß der europäischen Menschenrechtskonvention geprüft werden. In ihrem Herkunftsland, der Türkei, wären diese engagierten PKK-Täter gewiß gefährdet. Es bleibt dabei: Je mehr ein Kurde sich für die PKK betätigt, desto sicherer kann er sich hier fühlen.Von Werner Birkenmaier