TAZ 31.3.99

„Terroristen“ genießen kein Asyl
Bundesverwaltungsgericht verwehrt PKK-Funktionären der Führungsebene Asyl und Abschiebeschutz. CDU will nun Abschiebeschutz auch für einfache PKK-Mitglieder abschaffen

Berlin (AP) - Funktionäre der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK genießen wegen Mitarbeit in einer Terrororganisation kein Asyl. Auch einen Abschiebeschutz wegen politischer Verfolgung können sie nicht in Anspruch nehmen. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht gestern in einem Grundsatzurteil.
In einer weiteren, gleichfalls gestern ergangenen Entscheidung billigten die obersten Verwaltungsrichter allerdings einfachen PKK-Sympathisanten zu: Wegen einer bloßen Teilnahme an illegalen Demonstrationen verlieren sie ihren Abschiebeschutz nicht.
Mit seinen Entscheidungen legte das Gericht das im Grundgesetz verankerte Asylrecht und den Paragraphen 51 des Ausländergesetzes aus. Danach genießen auch abgelehnte Asylbewerber Schutz vor Abschiebung, wenn sie wegen ihrer Aktivitäten in Deutschland in ihrer Heimat von politischer Verfolgung bedroht wären. Diesen Schutz verlieren sie allerdings, wenn sie „aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik“ darstellen.
Diese Gefahr sahen die Richter im Fall eines PKK-Spendeneintreibers aus Süddeutschland und eines PKK-Gebietsverantwortlichen, also eines Mitglieds des inneren Führungszirkels in Deutschland. Sie verwehrten den Betroffenen Asyl und Abschiebeschutz. Obwohl der Grad der Verantwortung unterschiedlich war, nahm das Gericht bei beiden Kurden an, daß sie entscheidende Stützen für die verbotenen terroristischen Aktivitäten der PKK seien.
„Ohne Mitwirkung dieser Funktionärsschicht wären die Aktivitäten der PKK nicht möglich“, führte der Vorsitzende Richter Friedrich Seebass zu dem Spendeneintreiber aus. Im Falle des vermeintlichen PKK-Führungsmitglieds verwies Seebass auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts, wonach Terroristen generell kein Asyl und keinen Abschiebeschutz genießen können.
Einem PKK-Sympathisanten aus Süddeutschland gewährten die Bundesrichter hingegen Abschiebeschutz, obwohl er regelmäßig für die verbotene Organisation gespendet und auch an illegalen Aktionen teilgenommen hatte. Es sei nicht zu erkennen, daß der Mann aus schwerwiegenden Gründen persönlich eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik darstelle, sagte der Richter.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag reagierte sofort auf das Grundsatzurteil. Ihr innenpolitischer Sprecher Erwin Marschewski forderte, das Ausländerrecht so zu ändern, daß auch Teilnehmer illegaler Versammlungen ausgewiesen werden können.


Kommentar

Sippenhaft
Bundesverwaltungsgericht: PKK-Funktionäre haben keinen Anspruch auf Asyl

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich gestern vom Asylrecht als individuellem Grundrecht in einem weiteren Teilbereich verabschiedet. Es hat einen neuen Pauschalsatz erfunden, mit dem Asylbegehren als „offensichtlich unbegründet“ abgewiesen werden können. Politisch Verfolgte genießen Asylrecht - außer sie sind Funktionäre der PKK. Aus einer absoluten Ausnahme vom ehemals unbeschränkten Schutz machten die Berliner Richter kurzerhand eine Regel, die nun für eine ganze Gruppe von Verfolgten gelten wird.
Mit seiner lapidaren Begründung bestätigte das Gericht nicht nur die Versagung von Asyl, sondern - erst einmal - auch den Schutz vor Abschiebung in die Türkei. Der Kurde, dessen Aufenthalt in Deutschland in Frage steht, stelle „aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland“ dar. Der Mann hatte keine Bomben geworfen. Er hatte „Spenden“ für die PKK eingetrieben, Demonstrationen organisiert und den Kontakt zur oberen Führungsebene aufrechterhalten.
Was er genau getan hat, war dem Gericht aber ohnehin egal. Ob er sich an gewalttätigen Aktionen beteiligt hat, spielte für das Gericht keine Rolle. Ihm reichte seine „Einbindung in die PKK als Funktionär der unteren Organisationsebene“.
Daß in Deutschland das Asyl nach Töpfchen verteilt wird und nicht nach individueller Gefährdung, ist nicht neu. Daß es versagt wird, obwohl seine Voraussetzungen sonst zweifelsfrei feststehen, unterscheidet diesen neuen groben Klotz aber von anderen, wie der Drittstaatenregelung.
Mit einem Grundrecht jedes einzelnen, wie es das Grundgesetz immer noch vorsieht, hat das nichts mehr zu tun. Auch wenn die Kurden wegen drohender Folter voraussichtlich nicht abgeschoben werden können - das Asylrecht selbst ist noch dünner geworden, nicht nur für die PKK. Denn die neue Regel mag genauso für die Tamil Tigers gelten oder für rein türkische Organisationen wie Dev Sol.
Dieses Urteil zeigt: Das Asylrecht ist schon lange kein „normales“ Grundrecht mehr. Aber auch wenn sich das Berliner Gericht in seiner Begründung ausdrücklich auf das Bundesverfassungsgericht beruft - in der Verfassung steht das alles nicht. Daß das Schicksal von Asylbewerbern nach Gruppen eingeteilt wird, ist alt. Sippenhaft ist neu.
Gudula Geuther